Schweden steht vor der Reichstagswahl am kommenden Sonntag vor einer Umwälzung der politischen Landschaft. Bei teils hohen Schwankungsbreiten zeichnen sich jedenfalls herbe Verluste für die beiden bisher im Parlament dominierenden Parteien, die Sozialdemokraten und die konservativen Moderaten, ab. Die weit rechts stehenden Schwedendemokraten stehen vor massiven Zugewinnen.

Derzeit regiert in Stockholm eine von der Linkspartei unterstützte und vom bürgerlichen Block geduldete Minderheitsregierung aus Sozialdemokraten und Umweltpartei unter der Führung von Ministerpräsident Stefan Löfven (Sozialdemokraten).

Trübe Aussichten für Konservative

Außer den Schwedendemokraten (plus fünf bis zehn Prozentpunkte) können die Linkspartei und die an der Bürgerlichen Allianz beteiligte Zentrumspartei (beide vier bis fünf Prozentpunkte) mit Zugewinnen rechnen. Alle anderen Parteien müssen mit Einbußen rechnen, allen voran die Sozialdemokraten (minus vier bis acht Prozenteinheiten); auch für die konservative Moderaterna sind die Aussichten trüb: Ihr wird das Abhandenkommen von drei bis sechs Prozent ihrer Wähler prognostiziert.

Völlig unklar scheint eine knappe Woche vor dem Urnengang indes, wie die nächste Regierung aussehen könnte. Dank den vorausgesagten Zugewinnen der Linkspartei lag der rot-grüne Block bis zuletzt vor der geschwächten Bürgerallianz.

Weiter Rot-Grün?

Sollte der bisherige Ausgrenzungskonsens gegenüber den Schwedendemokraten halten, scheint eine Fortsetzung der bisherigen rot-grünen Regierungszusammenarbeit somit als relativ wahrscheinlich. Allerdings dürfte es innerhalb des Blocks angesichts der zu erwartenden Gewinne der bisher nicht mit Kabinettsmitgliedern beteiligten Linkspartei zu einer neuen Gewichtung kommen.

Sollte es der Bürgerallianz hingegen gelingen, den linken Block im Endspurt noch abzufangen, wäre eine bürgerliche Dreier- oder Viererkoalition wahrscheinlich, eventuell um den Preis eines Führungswechsel innerhalb der Allianz. Zentrums-Chefin Annie Lööf wird von den Medien als mögliche Regierungschefin gehandelt. Eine bürgerliche Minderheitsregierung könnte gegebenenfalls auch unter Duldung der Schwedendemokraten existieren.

Als weitere - und von manchen befürchtete - Variante gilt, dass die Konservativen mit den Schwedendemokraten eine ähnliche Rechtskoalition wie in Norwegen oder Österreich eingehen könnten. Moderaterna-Parteichef Ulf Kristersson hat eine derartige Regierung jedenfalls nicht ausgeschlossen.

7,5 Millionen Wahlberechtigte

Wahlberechtigt sind knapp 7,5 Millionen Schweden. Über eine Million Menschen gaben ihre Stimme bereits im Vorhinein ab. Gleichzeitig finden auch Regional- und Kommunalwahlen statt. Erstmals entsendet die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zwei Wahlbeobachter nach Schweden. Sie sollen vor allem die Kampagnenfinanzierung der einzelnen Parteien unter die Lupe nehmen.

Die Hauptthemen im Wahlkampf waren Asyl, Migration und Integration, gefolgt von steuerlicher Umverteilung sowie Bildungs- und Umweltpolitik. Am Rande spielte auch eine mögliche Mitgliedschaft Schwedens bei der NATO eine Rolle. Die Schwedendemokraten mit ihrem Spitzenkandidaten Jimmie Akesson versuchten ihr Image als demokratisch saubere Kraft durch den Ausschluss mehrerer Kandidaten wegen nachgewiesener Verwicklung in neonazistische Tätigkeiten aufzupolieren.

Der Wahlkampf war durch einen dichten Reigen von TV-Konfrontationen der Spitzenkandidaten gekennzeichnet und fand in bisher ungekanntem Ausmaß in sozialen Internetmedien statt. Es kam auch vermehrt zu gefälschten Postingkampagnen und Serverattacken. Zuletzt waren die Sozialdemokraten das häufigste Ziel von Cyberangriffen. Von ausländischen Medien verbreitete Vermutungen, Russland könnte auch in Schweden in den Wahlkampf eingegriffen haben, spielten im Land selbst kaum eine Rolle.