Im Streit über die Aufnahme von Flüchtlingen hat Italiens populistische Regierung den EU-Partnern "Heuchelei" vorgeworfen und mit finanziellen Konsequenzen gedroht. Dass bei einem Treffen von EU-Staaten keine Lösung für die 150 Migranten auf dem italienischen Schiff "Diciotti" gefunden worden sei, werde Auswirkungen auf Italiens Position bei anderen Themen haben, erklärte Ministerpräsident Giuseppe Conte auf Facebook.
Sein Vize Luigi Di Maio drohte mit einem Stopp der Zahlungen an die EU, sollte es keine Einigung auf eine Übernahme der Migranten durch die EU-Partner geben. Die EU-Kommission verwahrte sich gegen Erpressungsversuche.
UNO-Flüchtlingshilfswerk fordert Lösung
Das UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR hat die EU-Mitgliedsstaaten zu einer dringenden Lösung für die 150 Migranten aufgerufen, die sich an Bord des Schiffes der italienischen Küstenwache "Diciotti" im sizilianischen Hafen von Catania befinden. Es sei wichtig, sofort für die Umverteilung der Migranten zu sorgen.
UNO-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi meinte, dass ein Konkurrenzkampf unter den EU-Mitgliedsstaaten ausgebrochen sei, wer die geringste Verantwortung für die im Meer geretteten Migranten übernehme. "Es ist gefährlich und unmoralisch, das Leben der Flüchtlinge aufs Spiel zu setzen, während die Staaten mit einem politischen Machtkampf für langfristige Lösungen in der Migrationsproblematik beschäftigt sind", schrieb Grandi in einer Presseaussendung.
Auch die katholische Kirche drängt auf eine sofortige Lösung für die Migranten, die seit fünf Tagen an Bord der "Diciotti" auf die Landung in Catania warten. "An Bord dieses Schiffes befinden sich leidende Menschen. Wären sie Tiere, würde man sie besser behandeln. Wer einen Hund aussetzt, wird rechtlich verfolgt, während hier Menschen im Meer sich selbst überlassen werden", so Kardinal Francesco Montenegro, Erzbischof der sizilianischen Stadt Agrigent und Präsident der italienischen Caritas im Interview mit der Tageszeitung "La Stampa" (Samstagsausgabe).
Keine Einigung bei EU-Treffen
Bei dem Treffen von Spitzenbeamten aus zwölf EU-Staaten in Brüssel, darunter Österreich, habe es keine Einigung über eine mögliche Verteilung der Flüchtlinge gegeben, verlautete am Freitag aus dem italienischen Innenministerium. Italien verlangt von anderen EU-Staaten, dass diese ebenfalls Flüchtlinge aufnehmen. Die EU-Partner lehnten diese Forderung mit der Begründung ab, dass die Zahl der in diesem Jahr in Italien eingetroffenen Migranten stark gesunken sei.
Diplomaten zufolge fanden sie keine Lösung für die Verteilung der Migranten auf der "Diciotti", weil sie dies anders als Italien nicht für das vordringliche Thema hielten. Sie hätten vielmehr strukturelle Lösungen für die Schiffe im Mittelmeer finden wollen. Dort werden immer wieder Menschen aufgegriffen, die mit kaum seetüchtigen Booten in die EU gelangen wollen.
Europa habe "weder Solidarität noch Verantwortung" gezeigt, kritisierte daraufhin Ministerpräsident Conte. Die Lücke zwischen Worten und Taten gleiche manchmal der Heuchelei. Italien werde dies berücksichtigen und sich entsprechend verhalten - "in allen Fragen, bei denen wir es mit Europa zu tun haben".
"Sanfte Linie funktioniert nicht"
"Die sanfte Linie funktioniert nicht, die harte Linie wird sein, Finanzmittel zurückzuhalten, wenn sie nicht zuhören", sagte Di Maio am Donnerstagabend im italienischen Fernsehen. Am Freitag bekräftigte er seine Haltung. Die EU-Kommission wies dies zurück. "Unkonstruktive Kommentare oder Drohungen bringen uns einer Lösung keinen Schritt näher", sagte Kommissionssprecher Alexander Winterstein.