Die Zahlungsstopp-Drohung Italiens an die EU, mit der eine Einigung in der Frage der Bootsflüchtlinge erreicht werden soll, stößt bei Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) auf Ablehnung. "Ich halte nichts von Drohungen, insbesondere nichts von solchen Drohungen", sagte er am Freitag in einer Pressekonferenz.

"Ich sage einmal, es wären vielleicht auch die wirklich starken Nettozahler berufen, solche Drohungen auszusprechen. Auch die sollten es nicht tun, tun es auch für gewöhnlich nicht", umriss er seine Haltung: "Ich würde so etwas aber auch nicht überbewerten. Ich gehe nicht davon aus, dass es dazu kommt."

Drohung

Die Drohung war am Donnerstag von Italiens Vize-Regierungschef Luigi Di Maio gekommen. Er hat der Europäischen Union mit einem Zahlungsstopp gedroht, sollte es keine rasche Einigung auf eine Übernahme der Flüchtlinge auf dem italienischen Schiff "Diciotti" durch die EU-Partner geben. Die EU-Kommission hat Spitzenbeamte ("Sherpas") von zwölf EU-Staaten zu einem Krisentreffen am Freitag im Streit um das Flüchtlingsschiff der italienischen Küstenwache "Diciotti" eingeladen.

"Wenn beim Treffen der Europäischen Kommission nichts zur Verteilung der Migranten von der 'Diciotti' herauskommt, dann werde ich nicht bereit sein, jedes Jahr 20 Milliarden Euro an die EU zu zahlen", sagte Vize-Regierungschef Luigi Di Maio in einem auf Facebook verbreiteten Video. Di Maio ist Vorsitzender der populistischen 5-Sterne-Bewegung, die zusammen mit der ausländerfeindlichen und weit rechts stehenden Lega die Regierung bildet.

Migranten am Schiff in Hungerstreik getreten

Die Migranten an Bord des Schiffes der italienischen Küstenwache "Diciotti", die seit vier Tagen auf die Landung warten, sind in den Hungerstreik getreten. Dies berichtete der sozialdemokratische Senator, Davide Faraone, der am Donnerstag an Bord des Schiffes gegangen war.

"Spannung herrscht an Bord des Schiffes. Ich habe von den Hafenbehörden die Information erhalten, dass die Migranten in den Hungerstreik getreten sind. Besuche an Bord des Schiffes, um den Zustand der Migranten zu kontrollieren, sind aus Sicherheitsgründen ausgesetzt worden", berichtete Faraone am Freitag auf Twitter.

Auf der 'Diciotti', die vier Tage zuvor im Hafen von Catania auf Sizilien festgemacht hatte, warten noch immer 150 erwachsene Migranten. 27 Minderjährigen hatte Innenminister Matteo Salvini erlaubt, das Schiff der italienischen Küstenwache zu verlassen. Die anderen müssen auf Geheiß Salvinis, der zugleich Vorsitzender der Lega ist, so lange an Bord bleiben, bis andere EU-Länder sich zu ihrer Aufnahme bereiterklären. Di Maio sagte, er unterstütze Salvinis Linie. Einen Tag zuvor hingegen hatte der Präsident des Unterhauses, Di Maios Parteifreund Roberto Fico, Salvini kritisiert und ihn aufgefordert, auch die anderen Migranten an Land gehen zu lassen. Die "Diciotti" hatte die Menschen vor mehr als einer Woche von einem überfüllten Boot gerettet.

Italien lange alleine gelassen

In den vergangenen Jahren sind Hundertausende Menschen über das Mittelmeer illegal nach Italien gelangt. Die Regierung in Rom hat wiederholt die EU-Partner aufgefordert, mehr Flüchtlinge aufzunehmen. Die neue Regierung hat eine härtere Gangart angeschlagen und bereits mehrfach Schiffen, die Flüchtling aufgegriffen haben, die Einfahrt in italienische Häfen verwehrt.

Erst am Mittwoch hatte Ministerpräsident Giuseppe Conte an die EU-Partner appelliert, einige der Migranten von der "Diciotti" aufzunehmen. Die EU-Kommission hat in dieser Woche mehrfach versichert, sie arbeite an einer Lösung. Bereits im Juni und im Juli hatte sie Einigungen erzielt, nach denen Migranten von Schiffen, die in Italien und Malta festgemacht hatten, auf EU-Länder verteilt wurden, darunter auf Deutschland.