Mehrere ranghohe US-Regierungsvertreter haben in scharfen Worten vor Versuchen Russlands gewarnt, Einfluss auf die Kongresswahlen im Herbst zu nehmen. Man sehe weiterhin eine umfangreiche Kampagne, "mit der Russland versucht, die Vereinigten Staaten zu schwächen und zu spalten", sagte der nationale Geheimdienstkoordinator der USA, Dan Coats, vor Journalisten in Washington.
Man wisse auch, dass Russland versuche, E-Mails von Kandidaten und Regierungsbeamten zu hacken und Informationen zu stehlen. Die Geheimdienste seien nach wie vor besorgt, erklärte Coats. Es gehe dabei nicht nur um Bedrohungen für die Zwischenwahlen, sondern auch um mögliche Beeinflussungsversuche auf die Präsidentschaftswahl 2020.
Auch US-Heimatschutzministerin Kirstjen Nielsen zeigte sich bei dem Auftritt im Weißen Haus alarmiert. "Unsere Demokratie selbst ist im Fadenkreuz", erklärte sie. "Freie und faire Wahlen sind die Eckpfeiler unserer Demokratie, und es ist deutlich geworden, dass sie zum Ziel unserer Gegner geworden sind."
Warnungen
Die Warnungen kommen zwei Wochen nach dem umstrittenen Gipfel von US-Präsident Donald Trump mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin. Dieser hatte dabei jede Einmischung in die US-Präsidentschaftswahl 2016 dementiert. Trump bezeichnete Putins Dementi als "extrem stark und kraftvoll" und bezog damit öffentlich Position gegen die Einschätzung der US-Geheimdienste, die eine solche Einmischung für erwiesen halten. Dafür wurde er heftig kritisiert. Mehrfach musste der US-Präsident Aussagen daraufhin klarstellen oder dementieren.
Das Weiße Haus ist seither bemüht, den Eindruck zu zerstreuen, die Regierung tue zu wenig gegen mutmaßliche russische Einflussversuche. Neben dem Geheimdienstdirektor und der Heimatschutzministerin traten am Donnerstag auch FBI-Direktor Christopher Wray, der Nationale Sicherheitsberater John Bolton und NSA-Direktor Paul Nakasone vor die Presse.
Bolton schrieb zudem einen Brief an die oppositionellen Demokraten, in dem er erklärte, dass Trump keinerlei Einmischungsversuche in die Demokratie der USA dulde. Seit seinem Amtsantritt im Jänner 2017 habe der Präsident entschiedene Maßnahmen ergriffen, um das Wahlsystem zu schützen.
Koordination gefragt
Mehrere Demokraten und auch Republikaner hatten sich besorgt darüber geäußert, dass die Regierung zu wenig tue, und die einzelnen Ministerien und Geheimdienste ihre Bemühungen nicht ausreichend koordinierten.
Coats sagte: "Wir erkennen die Bedrohung an. Sie ist real, sie dauert an, und wir unternehmen alles, damit wir eine legitime Wahl haben können, in die das amerikanische Volk Vertrauen haben kann". Russland ziele darauf ab, "unsere demokratischen Werte zu untergraben und einen Keil zwischen unsere Verbündeten zu treiben". Auf die Frage, ob russische Einzeltäter oder der Kreml hinter den Versuchen steckten, sagte Coats: "Beide."
Die russischen Bemühungen, sich in die Zwischenwahlen einzumischen, seien bisher nicht so stark ausgeprägt wie beim Präsidentschaftswahlkampf 2016, erklärte der Geheimdienstkoordinator. Das könne sich aber jederzeit ändern.
Bei den Wahlen am 6. November werden alle Sitze im Repräsentantenhaus und ein Drittel der Sitze im Senat neu vergeben. Daneben stehen auch eine Reihe von Wahlen in US-Staaten bevor.
FBI
FBI-Direktor Christopher Wray sagte, bisherige Beeinflussungsversuche hätten sich über eine "große Bandbreite von Aktivitäten" erstreckt und seien sowohl verdeckt als auch öffentlich geschehen. Dazu hätten traditionelle Geheimdienstaktivitäten ebenso gehört wie kriminelle Versuche von Einflussnahme über Wahlkampfspenden oder Cyberangriffe gegen die Wahl-Infrastruktur. "Das ist eine Bedrohung, die wir extrem ernst nehmen müssen", fügte er hinzu. Es gehe dabei nicht nur um den laufenden Wahlkampf.
Das Onlinenetzwerk Facebook hatte am Dienstag mitgeteilt, wegen eines koordinierten Versuchs zur verdeckten Wahlbeeinflussung im Vorfeld der Kongresswahlen 32 Nutzerkonten geschlossen zu haben. Die Ermittlungen zu den Hintergründen seien noch in einer frühen Phase, daher könne das Unternehmen keine verantwortlichen Länder oder Gruppen nennen.
Nach Angaben von Facebook-Sicherheitschef Alex Stamos gibt es aber Hinweise auf Verbindungen zu im vorigen Jahr geschlossenen Konten der Internet Research Agency (IRA), die als "Trollfabrik" der russischen Regierung angesehen wird. Trolle werden Internetnutzer genannt, die bewusst Online-Debatten stören und die Atmosphäre in Chats vergiften. Die US-Regierung hatte die IRA bereits im vergangenen März mit Sanktionen belegt.
Im Herbst 2017 hatte Facebook erklärt, etwa zehn Millionen Nutzer in den USA hätten in der Vergangenheit von Russland gesponserte Beiträge gesehen. Sie seien von fast 500 Nutzerkonten gekommen. Im jüngsten Fall unterrichtete der Konzern nach eigenen Angaben bereits die US-Strafverfolgungsbehörden, den Kongress sowie andere große Internetunternehmen.