Donald Trump ist in die Falle getappt. Viele hatten ihn davor gewarnt, sich von Kremlchef Wladimir Putin manipulieren zu lassen. Außenpolitisch verlief sein Treffen mit dem russischen Präsidenten in Helsinki weitgehend ergebnislos. Für seine allzu devote Haltung jedoch, eine Dreiviertelstunde lang öffentlich zur Schau gestellt vor den Augen der Weltöffentlichkeit bei einer denkwürdigen Pressekonferenz, steckt der US-Präsident nun massive Prügel ein.
Von Freund und Feind, von Demokraten und Republikanern. "Es war der ernsteste Fehler seiner bisherigen Präsidentschaft", sagte Newt Gingrich, ein Altvorderer der Republikaner und eigentlich glühender Trump-Getreuer. Er müsse sofort korrigiert werden.
Das Schlimme für Trump ist nicht einmal, dass Kritiker seinen Auftritt als "verräterisch" oder "beschämend" bezeichnen. Schlimmer noch ist für den Amtsinhaber im Weißen Haus, dass ihm kaum jemand von der eigenen Truppe zur Seite springt. Sogar der Trump'sche Haussender Fox News zitiert stundenlang diejenigen, die kein gutes Haar am Präsidenten lassen. International wird Trump gar verhöhnt: "Putins Pudel", titelte der "Daily Mirror" in Großbritannien. Ex-Gouverneur und "Terminator"-Darsteller Arnold Schwarzenegger nennt Trump den "Fanboy Putins".
Das Echo im Land ist so verheerend, dass Trump einen Tag nach dem Gipfel Schadensbegrenzung betreibt. Er habe nach Durchsicht der Abschrift seiner Aussagen während der Pressekonferenz festgestellt, dass er sich versprochen habe, sagt Trump am Dienstag.
Im Klartext: Russland habe sich in die Präsidentenwahl von 2016 eingemischt, gibt Trump auf einmal zu. Das ist das genaue Gegenteil von dem, was er noch in Helsinki gesagt hatte: Er sehe "keinen Grund", warum sich Russland eingemischt haben sollte, hatte er dort betont. Obwohl parteiübergreifend politische Schwergewichte geschockt auf diese Äußerungen reagiert hatten, ließ sich Trump mehr als 24 Stunden Zeit für seine Kurskorrektur. Der Druck von Freund und Feind war am Ende wohl doch zu groß.
So orakelte beispielsweise der ABC-Moderator George Stephanopoulos, ehemals im Weißen Haus für Bill Clinton tätig, die US-Öffentlichkeit könnte mit der missglückten Show in Helsinki Weltgeschichte erlebt haben. Trumps enger Vertrauter Newt Gingrich verlangte eine öffentliche Klarstellung.
Trump hat bei dem Auftritt mit Putin kurze Zeit nicht richtig aufgepasst. Als ihm zum Ende der Pressekonferenz und nach vorangegangenen vierstündigen intensiven Gesprächen die Frage gestellt wurde, ob er denn nun den US-Geheimdiensten glaube oder dem russischen Präsidenten, der eine Einmischung in die US-Wahl von 2016 soeben verneint hatte, versuchte er eine diplomatische Gratwanderung - und stürzte gnadenlos ab.
"Die heutige Pressekonferenz in Helsinki war eine der schändlichsten Vorstellungen eines amerikanischen Präsidenten seit Menschengedenken", schrieb das Republikaner-Urgestein John McCain in einer Mitteilung. Der schwerkranke Parteiveteran attestierte seinem Präsidenten Inkompetenz: "Präsident Trump erwies sich nicht nur als unfähig, sondern auch als nicht willens, Putin die Stirn zu bieten."
Die Chefs von Repräsentantenhaus und Senat, Paul Ryan und Mitch McConnell, riefen ihren Parteifreund Trump dazu auf, anzuerkennen, dass Russland kein Verbündeter sei. Sogar Fox-News-Moderatoren fanden drastische Worte: "Das war keine besonders starke Vorstellung", sagte Stuart Varney.
Die heftigen Reaktionen zeigen: Trump hat wenige Monate vor den weichenstellenden Zwischenwahlen in den USA den Nerv der Partei und des ganzen Landes verletzt. Häufig wurde der Vergleich mit Ronald Reagan gezogen, der einst Michail Gorbatschow in die Knie gezwungen habe. Trumps Auftritt ging gegen den Nationalstolz, den Patriotismus eines der wohl patriotischsten Länder des Westens. Das konnte nicht gut gehen, schon gar nicht, wenn es um das Verhältnis zum alten Feind Russland geht.
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Senat, der Republikaner Bob Corker, sah Putin, den gewieften ehemaligen KGB-Geheimdienstmann, gestärkt durch den Gipfel. "Wir tippen, dass er gerade Kaviar isst." Tatsächlich schienen in Moskau nach dem Helsinki-Gipfel die Sektkorken zu knallen. "Besser als Super", twitterte Außenminister Sergej Lawrow. "Putin ist der Gewinner", titelte der "Guardian" in Großbritannien.
Der Verlierer heißt Trump. Kopfschütteln herrschte schon im Vorfeld. Mit einem Eintrag auf Twitter hatte Trump am Montag den Gipfel quasi öffentlich eingeleitet. Das Verhältnis der beiden Atommächte sei so schlecht wie nie, und daran seien die USA schuld, erklärte der Präsident - der amerikanische wohlgemerkt. Das russische Außenministerium reagierte süffisant mit einem "Wir stimmen zu!".
Für die Republikaner ist der rundum missglückte Trump-Auftritt vor den immens wichtigen Kongresswahlen im November ein Rückschlag. "Putins Handeln, und allein seines, ist für die schlechten Beziehungen verantwortlich", korrigierte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Repräsentantenhaus, Ed Royce, Trumps Tweet.
Die Partei, ohnehin in mehrere Lager gespalten, darunter eines von Trump-Anhängern, bangt um die Zwischenwahlen im November. Traditionell wird die im Weißen Haus regierende Partei bei diesen Wahlen abgestraft - ein Quasi-Automatismus, der auch dazu beiträgt, die Balance im Zwei-Parteien-System der USA zu halten. Diesmal hatten sich die Republikaner die Chance ausgemalt, den Senat und vielleicht sogar das Repräsentantenhaus zu halten.
Jetzt sind sie verunsichert. Was macht Putin? Greift er erneut ein? Diesmal in die andere Richtung, um die politische Handlungsfähigkeit der Supermacht zu schwächen? Der Auftritt von Helsinki dürfte auch Trumps Beliebtheitswerten nicht unbedingt guttun. Die Frage wird - erneut - auftauchen, ob man das vermeintliche Zugpferd im Wahlkampf in einzelnen Stimmbezirken überhaupt zu Hilfe holt. Die Nervosität der Abgeordneten bezüglich einer Wiederwahl wird jedenfalls größer.
Und gehen für die Republikaner die Midterm-Wahlen verloren, wird auch ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump wieder wahrscheinlicher. Einen solchen Prozess müssen die Abgeordneten des Repräsentantenhauses mehrheitlich anstoßen - viele Demokraten lauern nur auf diese Möglichkeit.
Der zuletzt schwächelnden Opposition hat der Präsident eine Steilvorlage geliefert - auch ohne den Fußball, den Putin ihm nach erfolgreich ausgerichteter Weltmeisterschaft schenkte. Senator Lindsey Graham verlangte, der Ball solle vorsichtshalber erstmal auf russische Wanzen untersucht werden.
Michael Donhauser/dpa