Der Präsident des Deutschen Anwaltvereins hat Innenminister Horst Seehofer (CSU) ein gebrochenes Verhältnis zum Recht bescheinigt. Im Nachrichtenmagazin "Spiegel" kritisierte Ulrich Schellenberg einen bisher wenig beachteten Passus im Seehofers Masterplan, mit dem der Rechtsweg von Asylsuchenden beschnitten werden soll. Damit werde gegen einen verfassungsrechtlichen Grundsatz verstoßen.

Seehofer regt in seinem "Masterplan Migration" an, zur "Optimierung asylgerichtlicher Verfahren" prüfen zu lassen, wie sich abgelehnte Asylbewerber noch während ihrer laufenden Rechtsmittelverfahren abschieben lassen. Damit fordere er, Asylsuchenden den Weg zu einer gerichtlichen Überprüfung zu verwehren, sagte Schellenberg dem "Spiegel". Dies verstoße gegen den verfassungsgerichtlichen Grundsatz eines effektiven Rechtsschutzes für jeden.

Bei der Vorstellung seines "Masterplans" hatte sich Seehofer am 4. Juli über 69 Abschiebungen an seinem 69. Geburtstag gefreut. Diese Äußerung löste heftige Kritik, auch aus den eigenen CSU-Reihen, aus.

Jeder zweite Anzuschiebende nicht auffindbar

Fakt ist offenbar, dass Abschiebungen in Deutschland häufig problematisch sind. Jeder zweite Abzuschiebende wird am Rückführungstermin nicht an seinem Meldeort angetroffen, berichtete die "Welt am Sonntag" unter Berufung auf die Polizei. Bis Ende Mai wurden von rund 23.900 angekündigten Rückführungen nur rund 11.100 vollzogen, rund 12.800 Abschiebungen scheiterten demnach. Davon wurden etwa 11.500 Betroffene zum Rückführungstermin "nicht angetroffen" oder waren sogar dauerhaft untergetaucht.

In den übrigen rund 1.300 gescheiterten Abschiebeversuchen musste die Maßnahme während der Rückführung aus verschiedenen Gründen abgebrochen werden, wie die Zeitung weiter berichtete. Darunter lehnte in rund 150 Fällen der Pilot die Mitnahme des Ausreisepflichtigen ab. In mehr als 500 Fällen sei sie aufgrund aktiven oder passiven Widerstands abgebrochen worden - eine Steigerung um mehr als 200 Prozent im Vergleich zu 2017.