FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky ist wegen einer Rücktrittsforderung an den "torkelnden" EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker unter Beschuss geraten. EU-Kommissar Johannes Hahn sprach am Freitag von "Verächtlichmachen" und forderte ebenso eine Entschuldigung wie der ÖVP-Delegationsleiter im EU-Parlament, Othmar Karas. Die SPÖ verlangte sogar Vilimskys Rücktritt.
"Offensichtliche Alkoholprobleme"
Der Delegationsleiter der FPÖ im Europaparlament hatte Bilder vom schwankenden und sich auf mehrere Gäste stützenden Kommissionspräsidenten beim NATO-Gipfel am Mittwoch zum Anlass genommen, einen raschen Rücktritt Junckers zu fordern. "Der mittlerweile zum Online-Hit gewordene Auftritt eines torkelnden und von mehreren Staatschefs gestützten Juncker im Rahmen eines jüngsten Gipfeltreffens in Brüssel macht die gesamte Europäische Union zur Lachnummer und dies in einer gesamt sehr schwierigen Situation für die EU", so Vilimsky. Er führte an, dass es in den vergangenen Jahren "eine Reihe von offensichtlichen Alkoholproblemen" gegeben habe, "die immer wieder zu einer Serie peinlicher Videos geführt" habe.
"Akuter Ischias-Krampf"
Die EU-Kommission reagierte am Freitag empört auf entsprechende Berichte und wies darauf hin, dass der seit Jahren an Rückenproblemen leidende Juncker am Mittwoch einen akuten Ischias-Krampf gehabt habe. "Aus meiner Sicht ist es mehr als geschmacklos, dass einige Presseorgane beleidigende Schlagzeilen machen und Präsident Junckers Schmerz ausnutzen. Ich glaube nicht, dass das elegant ist, und ich glaube nicht, dass das fair ist", sagte Kommissionssprecher Margaritis Schinas zu den Alkohol-Spekulationen in sozialen Medien.
EU-Erweiterungskommissar Hahn wies Vilimsky für seine Aussagen scharf zurecht. "Das Verächtlichmachen von offensichtlich akuten Gesundheitsproblemen ist ein inakzeptabler Verstoß gegen einen respektvollen Umgang mit Menschen, der auch für die politische Debatte zu gelten hat", teilte er der APA mit. "Eine Entschuldigung von Herrn Vilimsky ist das Mindeste, was man erwarten muss."
"Das sprengt den Rahmen der politischen Auseinandersetzung, lässt jeden Stil vermissen und ist einer Regierungspartei unwürdig", kritisierte Karas. "Vilimsky muss sich bei Juncker entschuldigen oder es muss Konsequenzen geben", forderte er in einer der APA übermittelten Stellungnahme.
Zuvor hatte bereits SPÖ-Europasprecher Jörg Leichtfried scharf auf die "unglaubliche Entgleisung" des FPÖ-Generalsekretärs reagiert und dessen Rücktritt gefordert. "Als Generalsekretär der Regierungspartei FPÖ hat Vilimsky mit seinem heutigen Auszucken ein bis dato nicht bekanntes Niveau erreicht. Österreich ist jetzt das EU-Vorsitzland. Jemand wie Vilimsky darf auch aus Sicht der Regierung nicht länger in seiner Position sein", teilte der frühere SPÖ-Delegationsleiter im Europaparlament in einer Aussendung mit.
AfD auf Vilimsky-Linie
Vilimsky blieb mit seiner Rücktrittsforderung nicht allein. So forderte die Partei- und Fraktionsspitze der rechtspopulistischen "Alternative für Deutschland" (AfD) den Rücktritt des Kommissionspräsidenten. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Martin Reichart sprach von einem "Trauerspiel" rund um "den offenbar sturzbetrunkenen Präsidenten der Europäischen Kommission".
Der Juncker-Sprecher betonte, dass der Kommissionspräsident seine Arbeit schon am Donnerstag wieder voll wahrnehmen konnte. Nächste Woche werde der Präsident nach China, Japan und Spanien fliegen und ein anspruchsvolles Programm absolvieren - und zwar ohne ärztliche Begleitung. "Er wird weiter hart arbeiten, so wie er es seit Anfang seiner politischen Karriere getan hat", sagte Schinas nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa.
Juncker: "Wäre lieber betrunken"
Juncker hatte schon in der Vergangenheit öffentlich auf seine Rückenbeschwerden hingewiesen, so bei einem Auftritt im irischen Parlament vor einigen Wochen, wo er beim Treppensteigen etwas wacklig wirkte und zur Erklärung sagte: "Ich habe einige Probleme beim Laufen. Ich bin nicht betrunken. Ich habe Ischias-Probleme. Ich wäre lieber betrunken. Hah!" Der Ischias ist ein Nerv auf Hüfthöhe, Reizungen können ins Bein ausstrahlen.
Allerdings begleiten Fragen nach seinem Alkoholkonsum den früheren luxemburgischen Premier schon seit Jahren. Der frühere niederländische Finanzminister Jeroen Dijsselbloem hatte ihn einmal als "verstockten Raucher und Trinker" bezeichnet. Für Stirnrunzeln sorgten auch öffentliche Auftritte Junckers, der im Jahr 2015 einmal den belgischen Premier Charles Michel auf die Glatze küsste und den ungarischen Premier Viktor Orban als "'Diktator" begrüßte.