Um Punkt elf Uhr traten Bundeskanzler Sebastian Kurz, EU-Ratspräsident Donald Tusk und Bulgariens Ministerpräsident Bojko Borriso vor die Presse. Selbst die Mikrofone waren "almig" gestaltet, auf Holzpflöcken montiert.
"Wir sind stolz und froh, die Europäische Ratspräsidentschaft übernehmen zu dürfen", sagte Kurz und dankte dem bulgarischen Vorgänger für seine Aktivitäten. "Das internationale Umfeld ist ein schwieriges", erklärte er weiter. Die Spannungen mit Russland, der Austritt Großbritanniens seien eine enorme Herausforderung. "Wir wollen die Ratspräsidentschaft dazu nützen, um Brückenbauer zu sein, Spannungen abzubauen, sicherzustellen, dass die Europäische Union eine starke Union ist."
Den Schwerpunkt werde Österreich auf das Thema Sicherheit legen, auf ein Europa, das schützt, darauf, den Wohlstand abzusichern, der aufgebaut wurde. "Aber erfolgreich werden wir nur sein, wenn es eine starke Zusammenarbeit gibt", mahnte der österreichische Kanzler, der zuletzt selbst dafür kritisiert worden war, dieses Spannungen eher zu verstärken als abzubauen.
EU-Ratspräsident Donald Tusk begrüßte mit einem "Grüß Gott" und wünschte Österreich alles Gute. Österreich sei immer im Herzen Europas gelegen, kulturell wie politisch, und er vertraue darauf, dass Kurz ein Gefühl dafür habe, wie man als Brückenbauer erfolgreich sein kann.
Das Motto, unter das Österreich seine Ratspräsidentschaft gestellt habe, sei "Ein Europa, das beschützt", und es könne, so Tusk, kein besseres Motto geben: Der Wunsch nach Sicherheit sei so alt wie die Menschheit, und es sei die Aufgabe von Politikern, diese Sicherheit zu gewährleisten. Allerdings: Er, Tusk, warne alle davor, dieser Sicherheit die Freiheit zu opfern. Dies sei allzu oft in der Geschichte bereits der Fall gewesen.
Österreich übernimmt EU-Vorsitz bei "Gipfeltreffen" in Schladming
Symbolisch übergab anschließend der bulgarische Ministerpräsident die europäische Flagge an Sebastian Kurz. Technisch übernimmt Österreich ja erst um Mitternacht den EU-Vorsitz.
Sonne und Wolken in Schladming
Das Bergwetter spielte zur Übergabe des Ratsvorsitzes von Bulgarien an Österreich nur bedingt mit - immerhin kam aber während des Pressestatements bei der "Schafalm" immer wieder die Sonne raus. Der Blick auf den mächtigen Dachstein im Hintergrund blieb jedoch weitgehend verwehrt.
Getrübt wurde die Stimmung der Politiker auch durch laute Sprechchöre, die plötzlich seitens der "Plattform Radikale Linke" skandiert wurden - sie protestierten gegen die aktuelle Asylpolitik. Akustisch etwas irritierend dann auch die umherschwirrenden, summenden Drohnen, die zur Sicherheit der Spitzenpolitiker beitragen sollen.
Pünktlich um neun Uhr früh war die Sonne zum ersten Mal durch die schweren Wolkendecke, die sich über Schladming und das obere Ennstal gelegt hatte, durchgebrochen. Mit Maschinenpistolen bewaffnete Polizisten sicherten die Talstation der Planai-Bahn. Wer auf den Gipfel wollte, musste sich einer peniblen Taschenkontrolle unterziehen. Der Andrang zu der Stafettenubergabe an der Spitze der Planai war jedoch überschaubar. Noch völlig verwaist war die Riesenbühne im Planaistadion nebenan, dort soll am Abend das große Europa-Happening starten.
Bis zu 5.000 Menschen
Man rechnet mit 5000 Leuten beim Europapicknick am Gipfel. Im Sommer fahren täglich 2000 Gäste mit den Gondeln auf die Planai, mit Gratistickets werden auch viele Einheimische und Touristen angelockt.
Der Tross kam mit etwa 20 Minuten Verspätung gegen 10.05 Uhr auf der Planai an. Sie wurden von Alphorn-Bläsern der Musikschule Schladming sowie einem Musiker mit seiner "Quetschn" - einer Ziehharmonika - empfangen. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) richtete vorerst nur ein paar Worte an die Medien und sagte: "Das ist eine große Verantwortung, aber auch eine große Chance für Europa." Danach ging er zusammen mit Tusk und dem bulgarischen Ministerpräsident Bojko Borissow zur Schafalm-Hütte, wo ein Arbeitsfrühstück auf dem Programm stand.
Großes mediales Interesse
Mehr als 200 Gäste verfolgten die Ankunft der Minister. Auch das mediale Interesse ist groß: Über 130 Medienvertreter sind laut Angaben des Kanzleramts vor Ort, ein Drittel davon aus dem Ausland, darunter auch Journalisten aus Japan. Die meisten von ihnen hatten sich angemessen auf das "Gipfeltreffen" vorbereitet, trugen Bergschuhe und hatten Softshell-Jacken im Gepäck. Für das leibliche Wohl sorgten die Veranstalter: Jeder Gast erhielt ein Sackerl voller Jause - darunter Bockshornklee-Käse, Alpensalami und österreichische Kräuterlimonade. Zum Proviant wurden auch passend bedruckte Picknick-Decken mit der Aufschrift "Servus Europa" ausgegeben. Die Leute standen Schlange für die Beutel, ob sie die Decken in die noch nassen Wiesen legen werden, war aber zu bezweifeln.
Jausenmesser war übrigens keines im Sackerl zu finden. Das dürfte aber den hohen Sicherheitsvorkehrungen geschuldet sein: Hunderte Polizisten sorgten auf den Zufahrtsstrecken, bei der Talstation sowie am Berg für Ordnung. Betonleitwände auf den Straßen waren aufgestellt, um mögliche mobile Angreifer aufzuhalten. Auf die Planai durften sowohl Medien als auch Gäste nur nach einer vorherigen Sicherheitskontrolle. Bereits kurz nach 8.00 Uhr hatten sich rund ein Dutzend "Gipfelstürmer" bei der Talstation der Planai-Bahn eingefunden, um noch vor den Ministern am Berg zu sein.
Von den Bürotürmen auf die Alm
Normalerweise wird das Staffelholz des EU-Vorsitzes in Amtsräumen oder Konferenzgebäuden übergeben. Da versammeln sich dann die wichtigsten Akteure, umgeben von Fotografen und Kameraleuten. Nach bedeutungsschwangeren Reden wird das Buffet gestürmt, die breite Öffentlichkeit erfährt davon aus den Abendnachrichten.
Der österreichische EU-Vorsitz geht neue Wege. Nicht im Kanzleramt in Wien, sondern inmitten der obersteirischen Bergwelt wird die Wachablöse inszeniert. Auf 1900 Metern erfolgt die Übergabe, rein technisch startet die Präsidentschaft erst um Mitternacht.
Im Zentrum Österreichs
Bei der Wahl des Ortes ist nichts dem Zufall überlassen. Geographisch liegt Schladming fast im Zentrum Österreichs, logistisch ist der ehemalige WM-Ort immer noch in Schuss, politisch steht in der Steiermark ein Parteifreund des Kanzlers an der Spitze. Das ikonografische Foto des Dachsteinblicks ziert die Unterlagen des Vorsitzes.
"Servus Österreich"
Unter dem Motto „Servus Europa“ soll auch die Bevölkerung eingebunden werden, so wartet auf dem Berg ein ganztägiges „Gipfelpicknick“ mit regionalen Spezialitäten. Es wird wohl vom Wetter abhängig sein, ob der Gipfel nach dem Muster von Hinterseers Hahnenkamm-Party von den Bürgern gestürmt wird – oder ob Politiker, Journalisten, Kameraleute unter sich bleiben. Am Abend gibt es ein Livekonzert im Planai-Stadion – mit den Seern, Opus und Österreichs Song-Contest-Teilnehmer Cesár Sampson, die mit Hunderten Hobby-Musikern und Chören gemeinsam musizieren.
Sicherheit groß geschrieben
Mehr als 100 Beamte der Polizei werden in Schladming sowohl in Uniform als auch Zivil unterwegs sein. Wie die Sicherheitsmaßnahmen konkret ausschauen, wurde nicht verraten. Es wurden aber Sperren und Poller aufgestellt. Besonderes Augenmerk wird auf die Sicherheit in Hotels gelegt, in denen die Politiker untergebracht sind.
In Sachen Verkehr erwartet die Polizei die Frequenz eines Wintertages. Für jene, die aus dem Osten anreisen, gibt es ein Leitsystem, das zu Parkplätzen führt, für Gäste aus dem Westen steht ein Parkplatz bei der Abfahrt Schladming-West zur Verfügung.