"To jaw-jaw is always better than to war-war,“ soll der britische Staatsmann Winston Churchill einst gemahnt haben. Frei übersetzt bedeutet das, man solle lieber palavern als Krieg führen. In diesem Sinne ist der Gipfel zwischen dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump und Nordkoreas Staatsoberhaupt Kim Jong-Un - das erste Treffen zwischen amerikanischen und nordkoreanischen Staatschefs überhaupt - am 12. Juni in Singapur als Erfolg zu werten.
Im Gegensatz zum April letzten Jahres wo Trump dem nordkoreanischen Machthaber unverhüllt mit Atomkrieg drohte („fire and fury“) und Kim, nach dem erstmaligen Test einer Hwasong-15 Interkontinentalrakete ihn wissen ließ, dass das amerikanische Festland Ziel eines nuklearen Vergeltungsschlages werde könnte, kann die Gipfelerklärung, die vom Bekenntnis beider Seiten ein „bleibendes und stabiles Friedensregime auf der koreanischen Halbinsel“ zu schaffen spricht ,nur begrüßt werden.
Die Gefahr eine Nuklearkrieges, in Wahrheit in vielerlei Hinsicht von Trump fabriziert, scheint also vorerst gebannt. Die Welt kann aufatmen.
Was sind nun aber die konkreten Ergebnisse des Zusammentreffens? Kurz formuliert: Die wichtigste Errungenschaft ist das Bekenntnis beider Seiten zur Diplomatie. Nordkorea, sein Verbündeter China, die Vereinigten Staaten und ihre Alliierten in Ostasien, Südkorea und Japan, stehen nun am Beginn eines diplomatischen Prozesses der sich über mehrere Monate, ja Jahre hinziehen wird, solange beide Seiten sich davon Vorteile erwarten können.
Was aber tatsächlich in den diplomatischen Verhandlungen diskutiert werden soll ist nur vage formuliert und lädt zur Missinterpretation ein. Die USA verpflichten sich einerseits zu „Sicherheitsgarantien“, also Garantien das nordkoreanische Regime nicht durch den Einsatz von militärischen Mitteln zu stürzen, während Pjöngjang sich im Gegenzug zur „kompletten Entnuklearisierung der koreanischen Halbinsel“ bekennt. Was mit beiden Begriffen gemeint ist, ist unklar.
In der seiner Pressekonferenz am Dienstag veranschaulichte Trump, was solch eine Sicherheitsgarantie vielleicht beinhalten könnte: Der Stopp von Militärmanövern mit Südkorea, die von Nordkorea als Kriegslist gesehen werden, um Truppen für eine etwaige Invasion des Nordens zusammenzuziehen und von Pjönjang immer wieder als de-facto Kriegserklärung gehandelt wurde. Es überrascht nicht, dass die Idee eines Endes der bilateralen Übungen von Kim ausgegangen sein soll und der US-Präsident darauf einging. Trump nannte die Manöver, provokativ (ein Adjektiv das in diesem Kontext bis dato von Nordkorea verwendet wurde) und zu teuer.
Zusätzlich stellte Trump in den Raum, früher oder später die 28,500 US-Soldaten die in Südkorea stationiert sind, abzuziehen, ebenfalls ein langes Ziel der nordkoreanischen (und chinesischen) Außenpolitik und eine völlige Umkehr amerikanischer Sicherheitspolitik in Ostasien. Wohl gemerkt: Keiner dieser Punkte ist in der Vereinbarung finden. Sie kamen überraschend. Laut Berichten, wurde weder das südkoreanische noch das amerikanische Militär von einem möglichen Stopp der Manöver informiert ganz zu schweigen von einem Truppenabzug. Ein Ende der Manöver und ein Abzug der Truppen würde mit großer Wahrscheinlichkeit die Sicherheitslage in Ostasien verschlechtern. Zum Beispiel würde Japan, durch den US-Abzug ein neuer ‚Frontstaat‘ zu Nordkorea, sich gezwungen fühlen aufzurüsten, was wiederum von China als Provokation angesehen werde würde und einen verstärkten Rüstungswettlauf zur Folge hätte.
Kims Verpflichtung zur „kompletten Entnuklearisierung der koreanischen Halbinsel“ ist ebenfalls ein zweischneidiges Schwert. Denn der nordkoreanische Machthaber verpflichtet sich hiermit nicht zur unilateralen, „umfassenden, überprüfbaren, und unwiderruflichen“ nuklearen Abrüstung, wie es eigentlich Ziel der US- Politik ist, sondern wiederholt im Grunde nur ein Grundsatzbekenntnis zur allgemeinen atomaren Abrüstung, die, obwohl Trump das Gegenteil behauptete, auch die USA betrifft. Das bedeutet auch das nordkoreanische Raketenprogramme vorerst weiterlaufen.
Mit anderen Worten, „Entnuklearisierung der koreanischen Halbinsel“ heißt für Kim ein Ende von Amerikas nuklearem Schutzschirms über Südkorea. Kurz erklärt: Um zu verhindern das Japan und Südkorea ihren eigenen Atomwaffen entwickeln, haben sich die USA seit den 50er Jahren verpflichtet jede nordkoreanische und potenzielle chinesische Aggression gegen beide Länder mit ihren Nuklearwaffen abzuschrecken. Das heißt, im Fall der Fälle würden die USA ihre Atomwaffen gegen China und Nordkorea einsetzen. Laut der Theorie der nuklearen Abschreckung kreiert so eine Verpflichtung eine gewisse Stabilität. Würde Trump Südkorea aus dem nuklearem Schutzschirm lösen, würden Seoul und Tokio mit großer Sicherheit nukleare Waffen entwickeln. Das wäre ein unakzeptables sicherheitspolitisches Risiko für China, Russland, und Nordkorea, welches zu einem Präventivkrieg in Ostasien führen könnte.
Es liegt also der Verdacht nahe, dass der US-Präsident sich nicht über die Tragweite seiner Aussagen bewusst war. Gleichzeitig ist der nordkoreanische Diktator wohl absichtlich vage geblieben, da ein Gipfel mit konkreteren und vorverhandelten Verpflichtungen, inklusive einer abgesprochenen Definition, was nun „Entnuklearisierung“ bedeutet, wegen der Differenzen der Verhandlungsposition wohl nie zustande gekommen wäre.
Selbst wenn Trump bei seiner Entscheidung zum Ende von Militärmanövern mit Südkorea bleibt und US- Truppen von der koreanischen Halbinsel abzieht, würden die USA Seoul niemals aus dem amerikanischen Schutzschirm lösen. Gleichzeitig, wird Kim keinesfalls zustimmen unilateral sein nukleares Waffenprogramm aufzugeben, obwohl er am Montag mündlich zugesagt habe, eine Anlage zur Erprobung von Raketenantrieben zu zerstören. Zu nachhaltig ist die Erinnerung an andere Diktatoren, an Saddam Hussein oder Muammar al-Gaddafi und das Schicksal, das sie ereilte, nachdem sie ihre Atomwaffenprogramme eingestellt hatten.
Was ist nun der politische Mehrwehrt des Gipfels? Die Welt ist mit Sicherheit temporär sicherer und es liegt im Interesse aller, dass die diplomatischen Bemühungen zwischen Washington und Pjöngjang langfristig erfolgreich sein werden. Jede Lösung ist besser als ein Nuklearkrieg! Wer jedoch glaubt, dass der Gipfel der Beginn einer Entnuklearisierung Nordkoreas ist der wird leider bitter enttäuscht werden. Nordkorea wird niemals alle seine Atomwaffen aufgeben. Sie sind die einzige wahre Sicherheitsgarantie des Regimes in Pjöngjang.
Erwähnenswert hierbei ist auch, dass frühere Erklärungen von Unterhändlern beider Seiten, zum Beispiel aus dem Jahre 1993, eine deutlich klarere Wortwahl beinhalteten, was nukleare Abrüstung betrifft.
Das Gleiche gilt für die Deklarationen der Sechs-Parteien-Gesprächen, die von den USA, Japan, Russland, China, Süd-und Nordkorea über das nordkoreanische Atomwaffenprogram bis 2009 geführt wurden. Der Beginn diplomatischer Verhandlungen ist jedoch positiv zu bewerten. Doch es wird ein langer steiniger Weg werden und das Endresultat dieser Gespräche ist im Moment schwer zu erfassen und nicht abzusehen. Oder wie Winston Churchill 1942 meinte: „Dies ist nicht das Ende. Es ist nicht einmal der Anfang vom Ende. Aber es ist, vielleicht, das Ende des Anfangs.“