Das ist der Moment, auf den alle gewartet haben. Das Capella in Singapur, ein modernes Fünf-Sterne-Hotel in einem britischen Kolonialhaus, 9 Uhr Ortszeit. Vor dem Eingang haben sie ein beeindruckendes Heer von Flaggen aufgestellt, alle in blau-weiß-rot. Sechs Mal das US-Sternenbanner, sechs Mal die nordkoreanische Flagge mit dem Stern, genau abgezählt, schön nebeneinander. Davor ein roter Teppich.
Dann Auftritt Donald Trump von rechts, Kim Jong-un von links. Der US-Präsident im dunklen Anzug mit roter Krawatte, Nordkoreas Machthaber im seinem typischen Anzug mit Stehkragen, ganz in schwarz. Der Handschlag des Jahres. Kim, mit mutmaßlich 34 Jahren weniger als halb so alt wie Trump, ist zu hören, wie er sagt: "Schön Sie zu treffen, Herr Präsident". Der 71-Jährige grinst zurück, greift dem anderen zwei Mal an die Schulter. So kann man zeigen, wer die Oberhoheit hat.
Und das ist dann der Beginn eines Gipfels, auf den jetzt drei Monate lang hingearbeitet wurde, mit viel Drama zwischendurch, bis hin zur zwischenzeitlichen Absage durch Trump. Bis ins Details haben die Protokoll-Leute am Programm gefeilt: Flaggen, Sitzordnung, Essensfolge und so. Allein schon, bis feststand, dass das Treffen in Singapur stattfinden würde und dann auch der genaue Tagungsort: die Vergnügungsinsel Sentosa.
Eine Insel mit vielen Gesichtern
Wenn alles gelingt, hat der Name gepasst. Auf malaiisch bedeutet Sentosa so viel wie Ruhe und Frieden. So heißt die Insel allerdings erst seit 1972. Früher nannten die Einheimischen sie anders: Pulau Belakang Mati, die Insel des Todes. Oder auch: die Insel, wo der Tod von hinten kommt. Im Moment allerdings ist das der Ort, wo sich die beiden Haupt-Akteure nach links verabschieden. In die Bibliothek des Hotels, wo zum Auftakt ein Kennenlern-Gespräch stattfindet. Nur die beiden, zusammen mit den Übersetzen.
Aber zuvor müssen Trump und Kim für die Kameras noch einmal den Handschlag machen. Ziemlich breitbeinig sitzen sie auf ihren Sesseln. Sogar die Zahl der Reporter, die hier in der Bibliothek dabei sein dürfen, haben sie genau festgelegt. Sieben auf jeder Seite. Für Nordkorea, das auf die allerkleinsten Statusfragen Wert legt, ist auch das schon wieder ein Erfolg. Denn natürlich ist das alles auch eine große Show um zwei Männer mit sehr ausgeprägten Egos.
Trump meint dann: "Richtig großartig hier. Wir werden eine großartige Diskussion haben und ich glaube, großartigen Erfolg." Kim entgegnet: "Alte Praktiken und Vorurteile haben gegen uns gearbeitet. Aber wir haben sie alle überwunden. Und jetzt sind wir hier." Trump hat die Hände zur "Merkel-Raute" geformt, kann aber nicht stillhalten. Immer wieder tippt er die Finger gegeneinander. Zeit, dass es endlich losgeht.
Warum sollten sie?
Was die Erfolgsaussichten des Ganzen angeht, sind die Experten viel weniger zuversichtlich als die ersten Worte der Hauptbeteiligten den Anschein geben. Selbst große Optimisten rechneten nicht mehr damit, dass Trump von Kim so etwas wie eine feste Zusage erhält, auf sein Atomprogramm zu verzichten. Warum auch sollten die Nordkoreaner das tun, wenn die US-Streitkräfte mit Flugzeugen und U-Booten ihre eigenen Atomwaffen jederzeit auf ihr Land richten können?
Möglicherweise kommt in Singapur aber ein Verhandlungsprozess in Gang, in dem es dann auch Fragen wie gegenseitige Besuche, die Aufnahme diplomatischer Beziehungen und einen Friedensvertrag für Nord- und Südkorea geht. Völkerrechtlich befinden sich beide Staaten auch 65 Jahre nach dem Ende des Kriegs immer noch nicht im Frieden.
Trump, ein Bauchmensch, setzt dabei auf sein Verhandlungsgeschick aus vielen Geschäftsjahren. Kim dürfte dagegen derjenige sein, der sehr viel besser in der Materie steckt. Nach dem ersten Gespräch in der Bibliothek - 38 Minuten - sagt der US-Präsident: "Sehr, sehr gut. Ausgezeichnete Beziehung." Könnte ein gutes Zeichen sein. Die Tage zuvor hatte er noch erklärt, er werde gleich nach der ersten Minute wissen, ob der Gipfel gelinge.
Dann geht es weiter in etwas größerer Runde. Beim Mittagessen im Capella dürfen dann noch ein paar Leute mehr am Tisch Platz nehmen. Am Nachmittag - so der Plan - soll der Gipfel dann schon wieder vorbei sein. Nach einem Pressetermin auf Sentosa will sich Trump mit der Air Force One auf den Rückflug in die USA machen. Wie lange Kim bleiben wird, weiß man noch nicht.
Christoph Sator