Die Werbung für zwei Kaufhäuser prangt vom Schlot eines stillgelegten Eisenwerks über der Stadt Jesenice. Sie mutet an wie das nicht eingelöste Wohlstandsversprechen an die Slowenen. Vor einem Vierteljahrhundert ging man als erste Teilrepublik Jugoslawiens den Weg in die Unabhängigkeit, die Eliten erklärten, dass fortan die Wertschöpfung im Land bleiben und nicht im Verwaltungsapparat im fernen Serbien versickern würden.
„Und jetzt bekomme ich 450 Euro Pension. Wie soll ich davon leben?“, fragt Neza. Die 78-Jährige trägt ihr Kopftuch so, wie es die Frauen in diesem Tal südlich der Karawanken immer schon getan haben. Hinter sich zieht sie einen Einkaufstrolley. Erdäpfel und Karotten war sie am Markt einkaufen. Spät am Tag, weil es da billiger ist. Die Politik kümmere sie schon lange nicht mehr. Damals, Ende der 1980er, glaubte sie noch an den Aufschwung, „aber es ist nichts daraus geworden.“ Wählen werde sie am kommenden Sonntag trotzdem. Und zwar den früheren Ministerpräsidenten Janez Jansa. „Weil er sich damals für uns eingesetzt hat.“ Mit damals meint sie den Unabhängigkeitskrieg, der in Slowenien nur ein paar Tage dauerte.
Für Neza und ihre Generation handelt es sich um ein paar Tage, die identitätsstiftend waren. Für eine Gruppe von drei jungen Frauen, die sich zur Mittagspause in einem Lokal am Hauptplatz trifft, dagegen nur eine Fußnote in ihren Geschichtsbüchern. Sie wurden knapp vor der Wende geboren. Politische Einmischung kennt ihre Generation nicht, sogar bei der Mitbestimmung ist sie träge. 60 Prozent der Wähler sind über 50 Jahre alt. Zum Vergleich: Aktuell liegt der Altersschnitt im Land bei 43 Jahren. Hinzu kommt, dass Experten mit einer Wahlbeteiligung von nur rund 60 Prozent rechnen. Das wären zwar ein paar Prozentpunkte mehr als bei den vorhergehenden Parlamentswahlen, doch lebhafte Demokratie sieht anders aus.
Diese Ablehnung der Politik hat vor allem mit dem System zu tun, das in jedem Jahr seit der Unabhängigkeit starrer und starrer wurde. Die Übergangsverfassung, die man sich im Jahr 1991 gegeben hat, verbietet es dem Ministerpräsidenten ohne die Zustimmung des Parlaments einen Minister zu entlassen. „Das ist weder in der Privatwirtschaft noch in einem anderen Land vorstellbar“, klagt Marjan Sarec, Bürgermeister von Kamnik in der Nähe der Hauptstadt Laibach, und jener Kandidat, der am ehesten einen Neuanfang verspricht. Nach dem Laibacher Bürgermeister Zoran Jankovic und dem amtierenden Premierminister Miro Cerar wird er der dritte Newcomer in Folge sein, der mit einem stolzen Wahlergebnis ins Parlament einzieht.
Er ruft nach Reformen und spricht auch an, was die Nach-Tito-Generation am meisten stört: die Polarisierung. „Die Grenzen zwischen dem Rechts-Politiker Jansa und den Sozialdemokraten, die sich als Erben der Kommunisten verstehen, sind inhaltlich nicht so tief, wie sie vorgeben.
Allerdings legt man es auf eine Polarisierung an und erschwert damit die Regierungsbildung“, analysiert der Politik-Berater Andraz Zorko vom Institut Valicon in Laibach.
Im Wahlkampf schaut das dann so aus: Premierminister Cerar kritisiert die SDS von Jansa dafür, dass sie eine Partei der Vergangenheit sei. Dieser kontert auf Twitter mit dem Schimpfwort „Butl“. Übersetzung überflüssig.
„Einen Neuanfang haben wir schon vor vier Jahren mit Cerar gewählt. Wieso soll es Sarec jetzt besser machen? Der ist doch auch als Bürgermeister ein Schauspieler geblieben, der jedem das sagt, was er hören woll“, schimpft ein Gastwirt in Kamnik. Er habe im vorigen Jahr genau fünf Tage frei gehabt, sonst habe er von neun bis 21 Uhr in seinem Café gearbeitet. „Und die Flüchtlinge bekommen fast 2000 Euro im Monat.“ Woher diese Zahl stamme? „Jansa hat sie plakatiert.“ Und nachgerechnet? Das haben wohl ein paar Journalisten – und die kamen, selbst bei Vollkostenrechnungen inklusive der Gehältern von Beamten, die Anträge bearbeiten, nicht auf diese Zahl. Aber sie steht im Raum, „und dieses Fehlen von kritischem Journalismus, der nicht auf Skandale zuspitzt, trägt weiter zur negativen Wirkung der politischen Prozesse bei“, sagt Zorko.
Der Mann, der seinen Schäferhund im Park von Kamnik Gassi führt, lacht über die Frage nach dem Wahlausgang nur. „Meinen Sie am Sonntag oder die im Herbst?“ Er ist überzeugt davon, dass man nun keine stabile Mehrheit finden werde und die Slowenen in diesem Jahr ein weiteres Mal wählen könnten.
Eine Theorie, die auch Polit-Experte Zorko teilt. „Viele kleinere Parteien haben schon gesagt: Mit Jansa nicht. Sie sagen das nicht nur, um sich klar zu positionieren, sondern auch um zu mobilisieren, denn sie merken, dass der Einzug ins Parlament schwer wird.“ Von der Vielzahl dieser Splittergruppen – insgesamt treten 25 verschiedene Parteien zur Wahl an – könnte aber ausgerechnet Jansa profitieren. „Wenn es sich mit der Pensionistenpartei DeSUS ausgeht, ist die Koalition klar. Sonst können wir uns auf Neuwahlen einstellen“, sagt Zorko.
Tomas Cik aus Laibach