Der neue Kandidat der katalanischen Unabhängigkeitsbefürworter für das Amt des Regionalpräsidenten, Quim Torra, will in der spanischen Konfliktregion die Bemühungen zum "Aufbau einer Republik" fortsetzen. Er wolle nach seiner Wahl unter anderem "einen verfassunggebenden Prozess einleiten", sagte Torra am Freitag dem TV-Sender TV3. Zugleich betonte er seine "ausgestreckte Hand" gegenüber Madrid.

Er sei zum Dialog mit dem spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy bereit, sagte Torra. Rajoy mahnte ihn, die spanische Rechtsordnung zu respektieren. Sollte dies nicht der Fall sein, werde er nötigenfalls wieder die Selbstregierung Kataloniens auflösen, warnte der konservative Politiker. Er hatte im vergangenen Oktober die entsprechende Bestimmung der spanischen Verfassung (Artikel 155) aktiviert, um die Regionalregierung abzusetzen, die zuvor die Unabhängigkeit Kataloniens ausgerufen hatte.

Torra war am Freitag von Parlamentspräsident Roger Torrent zum neuen Regionalpräsidenten nominiert worden. Das Regionalparlament in Barcelona tritt am Samstag zur Debatte und zur Abstimmung über die Kandidatur von Torra zusammen. Wenn es bis zum 22. Mai - in nur eineinhalb Wochen also - keine neue Regierung gibt, muss in Katalonien neu gewählt werden. Einer am Freitag veröffentlichten Umfrage zufolge können die drei Separatistenparteien bei Neuwahlen mit einem Ausbau ihrer Mehrheit rechnen.

Wieder in der Mehrheit

Die monatelange politische Krise in Katalonien verschafft den Unabhängigkeitsbefürwortern offenbar Zulauf. 48 Prozent der Katalanen sind für eine Unabhängigkeit der nordspanischen Region, ergab eine am Freitag vom Institut CEO veröffentlichte Umfrage. Die Unabhängigkeitsgegner, die in fünf von acht Umfragen seit Ende 2014 vorne waren, sind demnach mit 43,7 Prozent in der Minderheit.

Noch im Februar hatte das Institut den Unabhängigkeitsgegnern eine absolute Mehrheit von 53,9 Prozent bescheinigt, während die Unabhängigkeitsbefürworter mit 40,8 Prozent ihren schlechtesten Wert der vergangenen drei Jahre verbuchten. Ihren Höchstwert hatten sie im vergangenen Herbst mit 48,7 Prozent.

Der von der spanischen Justiz gesuchte Ex-Regionalpräsident Carles Puigdemont hatte nach monatelangem Tauziehen mit Madrid auf eine eigene Kandidatur verzichtet. Nach vier gescheiterten Versuchen der Regierungsbildung seit der Neuwahl vom 21. Dezember stellen die Separatisten erstmals einen unbelasteten Kandidaten auf. Puigdemont hält sich in Berlin auf, wo er auf eine Entscheidung der deutschen Justiz über seine Auslieferung an Spanien wartet.

Es gilt als sicher, dass Torra bei einer ersten Abstimmung nicht die nötige absolute Mehrheit der Stimmen erreichen wird und dass er erst am Montag bei der zweiten Wahl, bei der ihm eine einfache Stimmenmehrheit reichen würde, eine Chance hat. Die drei für die Unabhängigkeit eintretenden Parteien haben zwar zusammen mit 69 von 135 Sitzen die absolute Mehrheit. Die vier Abgeordneten der linksradikalen CUP wollen sich dem Vernehmen nach aber der Stimme enthalten, weil sie nur Puigdemont als Kandidaten akzeptieren.

Übergangslösung

Puigdemont hat Torra als "Übergangslösung" bezeichnet und betont, dass er lediglich die "Regierung im Inland" anführen werde und zur Umsetzung des Referendumsergebnisses vom vergangenen Oktober verpflichtet sei.

Beobachter und Gegner der Unabhängigkeit erwarten deshalb auch nicht, dass sich Torra nach seiner Wahl zum Regionalpräsidenten gegen den "Chef" auflehnt. Der bisher weitgehend unbekannte frühere Leiter des separatistischen Kulturvereins Omnium Cultural gilt als Hardliner unter den Separatisten. Und als sehr loyal. "Eine radikale Marionette, die die Herausforderung aufrecht erhalten soll", nannte ihn die Zeitung "El Mundo" am Freitag. Andere Blätter, wie "ABC", bezeichneten Torra als "Strohmann".