Nachdem Deutschland und die USA am Montag begonnen haben, wegen des Giftanschlags auf den Ex-Doppelagenten Sergej Skripal und seine Tochter im südenglischen Salisbury russische Diplomaten auszuweisen, zeichneten sich in der Folge weltweite "Massenausweisungen" ab. Deutschland begann damit, vier russische Diplomaten auszuweisen. Nach russischer Darstellung will Großbritannien mit dem Fall Skripal die Beziehungen der EU zu Russland untergraben. "Das Land, das die EU verlassen will, missbraucht den Faktor der Solidarität", schrieb die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, auf Facebook. Großbritannien zwinge die verbleibenden EU-Staaten dazu, mit Sanktionen die Zusammenarbeit mit Russland zu erschweren.
Die USA weisen wegen des Giftangriffs in Großbritannien 60 russische Geheimdienstmitarbeiter aus. "Nach dem Giftanschlag von Salisbury trägt Russland noch immer nicht zur Aufklärung bei", erklärte der deutsche Außenminister Heiko Maas am Montag zu den angekündigten Ausweisungen. "Wir setzen damit auch ein Zeichen der Solidarität mit Großbritannien. Außerdem werde das russische Konsulat in Seattle geschlossen, gab das Weiße Haus am Montag in Washington bekannt.
Insgesamt 14 EU-Staaten haben wegen des Giftanschlags auf einen russischen Ex-Diplomaten russische Diplomaten ausgewiesen. Dies gab EU-Ratspräsident Donald Tusk im bulgarischen Varna bekannt. Zusätzliche "Maßnahmen" und Ausweisungen in den kommenden Wochen seien nicht ausgeschlossen, sagte Tusk. Für Österreich hatte Kanzler Sebastian Kurz vergangene Woche eine Ausweisung ausgeschlossen. "Wir bleiben kritisch gegenüber den Aktionen der russischen Regierung", sagte Tusk. Zugleich kondolierte der EU-Ratspräsident dem russischen Volk zu dem tödlichen Brand in einem Einkaufszentrum in Sibirien. "Unsere Gedanken und Herzen sind bei Euch", sagte Tusk auf Russisch.
Der russische Präsident Wladimir Putin wird nach Angaben seines Sprechers bald auf die Ausweisung zahlreicher Diplomaten aus einigen EU-Ländern und den USA reagieren. "Natürlich werden wir dem Prinzip der Gegenseitigkeit folgen", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Details nannte er nicht. Das Außenministerium und andere Behörden würden die Situation und den Konflikt um den Giftanschlag zunächst gründlich analysieren und weitere Schritte vorschlagen. "Eine endgültige Entscheidung wird aber der Präsident treffen." Die Führung kritisierte das Vorgehen der Länder. Moskau bedauere, dass es soweit gekommen sei. Die Vorwürfe, Russland sei für den Anschlag verantwortlich, seien jedoch weiter haltlos, sagte Peskow. Mindestens 60 US-Diplomaten müssten das Land verlassen, sagte Wladimir Dschabarow, Mitglied des Föderationsrates, laut staatlicher Nachrichtenagentur RIA.
Tschechien weist drei russische Diplomaten aus, das haben Premier Andrej Babis und Außenminister Martin Stropnicky auf einer außerordentlichen Pressekonferenz mitgeteilt. Die Tschechische Republik sei EU- und NATO-Mitglied, deswegen sollte man den Verbündeten entgegenkommen, wenn sie darum bitten, sagte Babis. Stropnicky präzisierte, die Diplomaten sollten Tschechien auch mit ihren Familien bis 1. April verlassen. Dieser Schritt Tschechiens war erwartet worden. Babis hatte bereits am Rande des EU-Gipfels vergangene Woche angekündigt, dass sein Land "wahrscheinlich" einige russische Diplomaten ausweisen werde. Noch vor der Pressekonferenz schrieb Babis auf Twitter, Großbritannien habe die Unterstützung Tschechiens. "Auch wenn es die EU verlässt, müssen wir alles dafür tun, dass Europa stark und einig bleibt", so Babis.
Tschechien kritisiert die Argumentation Russlands in der Causa scharf. Besonders die Aussage Moskaus, wonach das Giftgas "Nowitschok" aus anderen Ländern stammen könnte, darunter Tschechien, hatte in Prag für laute Kritik gesorgt. Die tschechische Regierung wies diese Behauptung als "absurde und gemeine Lüge" zurück. Die tschechische Regierung beschloss die Ausweisung der russischen Diplomaten, obwohl aus der Umgebung von Staatspräsident Milos Zeman laut Medien verlautete, dass dieser hier zurückhaltend sei. Zemans pro-russische Haltung ist bekannt. So zählt er auch zu den Kritikern der EU-Sanktionen gegenüber Moskau.
"Auch der polnische Außenminister Jacek Czaputowicz sprach von einem Zeichen der Solidarität Polens mit Großbritannien. Warschau halte die Maßnahme für die richtige Antwort auf die "aggressiven Handlungen" Russlands, sagte er. Mit der Ausweisung der Diplomaten schließe sich Polen der Reaktion der internationalen Gemeinschaft an, hieß es. Demnach müssen die Diplomaten das Land bis zum 3. April verlassen.
Auch der dänische Außenminister Anders Samuelsen begründete den Schritt am Montag in Kopenhagen mit Solidarität zu Großbritannien. Dänemark habe noch nie zuvor ausländische Diplomaten als Reaktion auf etwas ausgewiesen, was in einem dritten Land geschehen sei.
Österreich wird sich den Strafmaßnahmen nicht anschließen. "Wir sind in der Bundesregierung gut abgestimmt und werden keine Diplomaten ausweisen", teilten Kanzler Sebastian Kurz und Außenministerin Karin Kneissl in einer gemeinsamen Stellungnahme mit. "Wir stehen hinter der Entscheidung, den EU Botschafter aus Moskau zurückzurufen, werden aber keine nationalen Maßnahmen setzen. Vielmehr wollen wir die Gesprächskanäle nach Russland offenhalten", argumentierten Kurz und Kneissl. "Österreich ist ein neutrales Land und sieht sich als Brückenbauer zwischen Ost und West." Der Kanzler und die Außenministerin betonen weiter, dass sich die EU mit Großbritannien und den Opfern des Anschlags von Salisbury "solidarisch" zeige. Sie verwiesen auf die "klare Erklärung" des EU-Gipfels in der vergangenen Woche. "Wann immer Russland das Völkerrecht oder die Menschenrechte verletzt, werden wir klare Worte finden und reagieren", versicherten sie.