Womöglich hat es mit seiner Vergangenheit in der für deutschsprachige Länder zuständigen Abteilung des KGB zu tun: Wladimir Putin, der heute erstmals Bundeskanzler Sebastian Kurz in Moskau empfängt, zeichnet sich durch ein besonderes Interesse für Österreich aus. Ihrerseits sind aber auch österreichische Spitzenrepräsentanten dem russischen Staatsoberhaupt stets sehr freundlich begegnet.
"Es ist schwierig mit Leuten im Gespräch zu bleiben, die Austria mit Australia verwechseln", ätzte der russische Präsident im vergangenen Herbst über die US-amerikanische Diplomatie und erinnerte damit implizit aber auch daran, dass ihm als Österreich-Kenner ein derartiger Lapsus unmöglich passieren könnte. Aber auch sein Treffen mit Bundeskanzler Kurz am Mittwoch, das vergangene Woche vom Kreml bestätigt wurde, zeugt von Wertschätzung: In den Tagen zuvor waren zahlreiche Termine des eigentlich wahlkämpfenden Präsidenten aufgrund einer schweren Verkühlung abgesagt und bis zum Urnengang am 18. März bleibt nicht mehr allzu viel Zeit.
Seit wann sich der Deutsch sprechende Putin mit Österreich beschäftigt und ob er in seiner KGB-Zeit auch beruflich einschlägig befasst war, ist unklar. In deutschen Geheimdienstkreisen kursieren Gerüchte, dass der zwischen 1985 und 1989 in der DDR stationierte Agent nach Österreich zum Skifahren kam. In Wien wird im Umfeld eines Ministeriums mit Verweis auf Hörensagen sogar ein konkreter Ort im Süden Niederösterreichs genannt, in dessen Gemeindeamt man auf APA-Anfrage jedoch nichts von einem historischen Wintergast namens Wladimir Putin weiß.
Nach seiner Rückkehr ins heimatliche St. Petersburg, wo er ab 1991 (und bis 1996) als rechte Hand des damaligen Bürgermeisters Anatoli Sobtschak für Außenhandel und -beziehungen zuständig war, kam der Russe ohne jeden Zweifel mit österreichischen Agenden in Kontakt. Fotos aus Petersburg zeigen ihn etwa 1992 bei der Einweihung eines Österreich-Platzes mit Bundeskanzler-Gattin Christine Vranitzky oder 1993 bei der Eröffnung einer Österreich-Bibliothek mit Außenminister Alois Mock. Nach russischen Medienberichten dürfte er seinen Chef Sobtschak auch wiederholt bei Dienstreisen nach Wien begleitet haben, den Jahreswechsel 1992/1993 verbrachte der Petersburger Vizebürgermeister nachweislich mit Familie in Göstling an der Ybbs.
Nach einer mehrjährigen Pause sorgte die Wahl Putins zum Präsidenten der Russischen Föderation für neue Kontakte in die Alpenrepublik. Abgesehen von privaten Besuchen in Österreich, wo er 2001 und 2002 nach Angaben seines Biografen Roj Medwedew Unterricht bei der Wintersportlegende Karl Schranz nahm, kam er im Februar 2001 auch offiziell zur Skiweltmeisterschaft nach St. Anton. Bilder, die Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und den russischen Präsidenten beim gemeinsamen Skifahren zeigen, gingen damals um die Welt.
Gleichzeitig entwickelte sich aber auch ein herzliches Verhältnis zwischen Putin und Bundespräsident Thomas Klestil, das nicht nur bei wechselseitigen Staatsbesuchen deutlich wurde: Im Februar 2004 schenkte Putin dem Ehepaar Klestil zwei Welpen seiner geliebten Labrador-Hündin Konni und wenige Monate später erwies Russlands Präsident seinem verstorbenen Amtskollegen Klestil in Wien die letzte Ehre.
Aber auch nach der Ära Klestil wurden freundschaftliche Begegnungen fortgesetzt. Wiederholt kam es zu Treffen zwischen Putin und Bundespräsident Heinz Fischer, nach der russischen Annexion der Krim im Frühjahr 2014 war Österreich der erste EU-Staat, den Putin offiziell besuchte. Der damalige Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl ermöglichte dem russischen Präsidenten, über eine "gute Diktatur" in Österreich sowie nicht vorhandene österreichische Gebietsansprüche auf die Ukraine und über Diktatoren im Westen zu scherzen. Die betreffenden Passagen wurden genüsslich im russischen Staatsfernsehen ausgestrahlt, RT machte daraus sogar einen Jingle.
Während Wintersport ein wenig in den Hintergrund trat - österreichisches Know-how kommt freilich mittlerweile in Russlands Skigebieten massiv zum Einsatz -, zeigte sich Putin zuletzt insbesondere an Wirtschaftsbeziehungen am Gassektor interessiert.
Bei seinem Antritt als Österreichs Botschafter in Russland 2015 habe Putin von sich aus "Baumgarten" erwähnt, erzählte Diplomat Emil Brix. Beim niederösterreichischen Dorf handelt es sich um die größte Import- und Übernahmestelle für russisches Erdgas in Österreich.
In diesem Zusammenhang war zuletzt auch darüber spekuliert worden, dass das wiedergewählte Staatsoberhaupt Anfang Juni 2018 ein weiteres Mal nach Österreich kommen könnte. Freilich will dies vor den Präsidentschaftswahlen niemand offiziell bestätigen. Der formale Anlass wäre jedenfalls der 50. Jahrestag der Unterzeichnung von Gaslieferverträgen zwischen der damaligen Österreichischen Mineralölverwaltung ÖMV und der Sowjetunion am 1. Juni 1968, ein Jubiläum, das die heutige OMV und der russische Gazprom-Konzern allenfalls groß feiern möchten.