In zumindest teils "remunerierten" Auftritten hat Österreichs Ex-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer zwischen 2011 und 2013 für eine Annäherung der Ukraine an die EU plädiert. Gusenbauer bestreitet, dass es sich dabei um verdecktes Lobbying für den ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch handelte. Kontakte zwischen Vertretern des damaligen Regimes und dem Ex-Kanzler stehen indes außer Zweifel.
Als im Dezember 2010 die sowohl in Kiew als auch in Wien fast völlig unbekannte Lilija Fatchulina ihre Galerie P-12 in der Wiener Innenstadt eröffnete, zeigte sich erstaunlich viel Prominenz: Nicht nur der damalige Botschafter der Ukraine in Wien, Andrij Beresnyj, war gekommen, sondern auch der damalige RBI-Chef Herbert Stepic und Österreichs Ex-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer, der sogar ein freundliches Grußwort für den Ausstellungskatalog beisteuerte.
Der politische Hintergrund des Andrangs blieb österreichischen Medien damals verborgen: Bei Fatchulina handelte es sich um die Schwiegertochter des ukrainischen Premierministers Mykola Asarow, der formal auch Vorsitzender der "Partei der Regionen" war. Fatchulinas Gatte Oleksij hatte wenige Monate über eine liechtensteinische Postkastenfirma unter anderem die Räumlichkeiten der Galerie am Wiener Parkring erworben.
Der österreichische Ex-Kanzler dürfte die Bedeutung dieses Gastgebers jedenfalls verstanden haben - beiden posierten staatsmännisch vor dem Wiener Society-Fotografen Constantin de Beauclair. Am Tag der Ausstellungseröffnung war zudem die Sustainable Ukraine gemeinnützige Forschung GmbH mit Asarow junior als Geschäftsführer gegründet worden und einige Monate später lachte dann das Antlitz Gusenbauers von der Homepage einer Sustainable Ukraine Foundation.
"Die Europäische Union sollte sich schrittweise der europäischen Integration der Ukraine nähern und der Schritt sollte eine Freihandelszone und erweitertes Abkommen sein", wurde der Österreicher in seiner angeblichen Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender der Organisation zitiert, die damals vor allem Asarow senior in der Ukraine als großen Reformer positionieren wollte. Gusenbauer dementierte später, als Aufsichtsratsvorsitzender zu fungieren. Inhaltlich sollte er bis Ende 2013 ähnliche Positionen öffentlich vertreten.
Während Asarow junior in Folge das Interesse an Lobbying verlor, fand sich 2012 mit dem Europäischen Zentrum für eine moderne Ukraine in Brüssel ein würdiger Nachfolger von Sustainable Ukraine. Laut der am Freitag veröffentlichten Anklageschrift gegen Donald Trumps Ex-Wahlkampfmanager Paul Manafort, der zuvor als Berater des ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch fungiert hatte, spielte diese NGO eine äußerst wichtige Rolle: US-Sonderermittler Robert Mueller wirft Manafort vor, mit ihrer Hilfe und mit Unterstützung eines "ehemaligen europäischen Kanzlers" verdeckt für Janukowitsch und dessen "Partei der Regionen" in den USA Lobbying betrieben zu haben.
Gusenbauer bestreitet dies. "Ich habe niemals eine Aktivität für Janukowitsch oder die 'Partei der Regionen' gesetzt, sondern mich ausschließlich für den Weg der Ukraine nach Europa engagiert", erklärte er gegenüber der APA am Samstag.
Hinter der von der Deutschen Ina Kirsch geleiteten NGO in Brüssel stand laut US-Sonderermittler Mueller jedenfalls der ukrainische Politiker und enge Janukowitsch-Mitstreiter Andrij Kljujew, der in Wien gemeinsam mit seinen Bruder Serhij die Slav AG besaß und mit dem gescheiterten Ankauf der Bank Burgenland 2006 österreichweite Schlagzeilen geschrieben hatte.
Andererseits hatte Kirsch selbst enge persönliche Kontakte zu europäischen Sozialdemokraten. Ihr Ehemann Robert van der Water war im europäischen Parlament damals Mitarbeiter der sozialdemokratischen Fraktion, die ihn im Zuge einer geplanten Zusammenarbeit mit der "Partei der Regionen" im März 2014 als Beobachter auch zu einem Parteikongress der Asarow- und Janukowitsch-Partei nach Kiew schickte. Auch Kirsch selbst war dort und kommentierte den Parteikongress begeistert auf Facebook.
Gusenbauer habe für diese unter seinem Vorgänger Martin Schulz eingeleiteten Annäherungspläne der Sozialdemokratie jedoch keine Rolle gespielt, versicherte der sozialdemokratische Fraktionsvorsitzende im EU-Parlament, Hannes Swoboda, im Mai 2012 gegenüber der APA. "Die Vorgangsweise ukrainischer Behörden bei der Verurteilung der Oppositionspolitikern Julia Timoschenko zu einer langjährigen Gefängnisstrafe ist völlig unakzeptabel und deshalb haben wir die Zusammenarbeit de facto auf Eis gelegt", sagte Swoboda damals.
Amerikanische Lobbyingbemühungen des nunmehr in den US-angeklagten Janukowitsch-Beraters Paul Manafort, die formal über das "Europäische Zentrum" in Brüssel liefen, hätten sich laut der Anklageschrift insbesondere auch mit einer Rechtfertigung der Verurteilung Timoschenkos beschäftigt.
"Ich kenne die Theorien, laut denen man permanenten Druck auf ein Land ausüben müsse, auf dass es sich bewege. Diese Theorien sind jedoch historisch nicht belegt", begründete auch Gusenbauer im Wiener Renner-Institut am 20. September 2012, warum die Europäische Union auf die Ukraine nicht bloß durch das Prisma der Causa Timoschenko blicken sollte. Mit am Podium saßen neben dem ukrainischen Außenminister Kostjantyn Hryschtschenko auch der ehemalige EU-Kommissionspräsident Romano Prodi, der gemeinsam mit Gusenbauer auch den kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew beraten hatte.
Ob Manafort und Co. den damaligen Präsidenten des Renner-Instituts Gusenbauer auch für diese Veranstaltung remunerierten ist unklar.
Gusenbauer wollte zu jenen angeblichen zwei Millionen Euro, die laut US-Anklägern 2012 an europäische Politiker für ihre pro-ukrainischen Lobbyingbemühungen geflossen sein sollen, nichts sagen. Er bestätigte gegenüber der APA lediglich, dass diese Aktivitäten "remuneriert" gewesen wären.
Zumindest in der Firmenbuchbilanz der Gusenbauer Projektentwicklung & Beteiligung GmbH lässt sich 2012 keine auffällige Zunahme des Gewinns ablesen: 2012 wies die Firma des Ex-Kanzlers einen Jahresgewinn von knapp 800.000 Euro aus, im Jahr zuvor waren es knapp 750.000 Euro gewesen. Angesichts der zentralen Rolle des Österreichers, dem ihm US-Ermittler als Manager einer "Hapsburg-Gruppe" von ehemaligen europäischen Spitzenpolitiker zuschreiben, hatte die Gewinnzunahme eigentlich merklicher ausfallen müssen. Gusenbauer weiß eigenen Angaben zufolge nichts von einer informellen Gruppe dieses Namens.
Fest steht jedenfalls, dass Gusenbauer seine Aktivitäten mit Janukowitschs Absage der EU-Assoziierung im Herbst 2013 beendete. Im Juni 2013 hatte er sich noch in den USA engagiert: Laut einer Veröffentlichung des US-amerikanischen Justizministeriums traf er damals neben parlamentarischen Mitarbeitern die republikanischen Abgeordneten Robert Aderholt, Tom Marino und Ed Royce, sowie Andrew Kuchins vom Center for Strategic and International Studies und William Pomeranz vom Kennan Institute. Im Hintergrund dieser Lobbying-Bemühungen, die laut US-Anklage gegen Paul Manafort zunächst gesetzeswidrig nicht an das Justizministerium gemeldet wurden, stand das Europäischen Zentrum für eine moderne Ukraine in Brüssel. "Mir wäre nicht bekannt, dass es eine koordinierende NGO im Hintergrund gab", sagte Gusenbauer am Samstag gegenüber der APA.
Herwig Höhler/APA