EU-Parlamentschef Antonio Tajani hat Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sein Vertrauen ausgesprochen. Der Italiener lobte am Mittwoch in Brüssel nach einem Treffen mit Kurz insbesondere dessen Erklärungen zu geplanten doppelten Staatsbürgerschaften für Südtiroler. Am Dienstagabend hatte Kurz Lob von Ratspräsident Donald Tusk und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erhalten.
"Persönlich vertraue ich sehr diesem jungen Bundeskanzler, und ich glaube, dass mit ihm Europa große Schritte nach vorne machen wird", sagte Tajani. Er habe einen sehr guten Eindruck von dem Treffen und freue sich, dass der neue Kanzler seine erste Auslandsreise nach Brüssel unternommen habe. "Das ist eine positive Botschaft für Europa", und "das beweist die proeuropäische Haltung seiner Regierung" Österreich wolle eine Hauptrolle im EU-Reformprozess spielen.
Als EU-Parlamentspräsident und Europafreund freue er sich auch über die Aussagen des Kanzlers zu Doppelpässen. "Seine Worte haben mir versichert, dass keine Initiative im Alleingang eingeleitet wird, sodass Europa nicht nach hinten geht, sondern weiter nach vorne schauen wird", sagte Tajani.
Kurz erklärte, es gebe den Wunsch der Südtiroler nach doppelter Staatsbürgerschaft. Ein solches Interesse hätten auch Kinder der Opfer des Nationalsozialismus und Österreicher in Großbritannien, die unter dem Brexit leiden. "Seien Sie aber versichert, dass wir ein ausgezeichnetes Verhältnis mit Italien nicht nur heute haben, sonder auch in Zukunft haben wollen, Italien ist unser Partner. Der Premierminister ist ein persönlicher Freund von mir". In einem gemeinsamen Europa "gehört es sich, dass wir diese Vorhaben natürlich eng mit Rom besprechen werden."
Bozens Bürgermeister sieht "politische Provokation"
Bozens Bürgermeister Renzo Caramaschi hingegen kritisierte die Entscheidung von ÖVP und FPÖ, die Wiedererlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft für Südtiroler ins Regierungsprogramm aufzunehmen. Als "politische Provokation" der neuen Regierung in Wien bezeichnete Caramaschi den Vorschlag der Regierungsparteien. Der Plan der Regierungskräfte sei Ausdruck des "nationalistischen Windes" in Österreich. "Es werden Barrieren errichtet, Europa ist schwach. Man verschließt sich und denkt, dass man sich so vor dem Sturm rettet", so Caramaschi laut der italienischen Nachrichtenagentur ADNKronos. Kritik kam auch von Extrembergsteiger Reinhold Messer. "Ich bin Südtiroler mit italienischem Pass und ich bin darauf stolz."
Weitere Themen des Gesprächs zwischen Kurz und Tajani waren auch der Kampf gegen den Terrorismus, die illegale Migration, die Jugendarbeitslosigkeit, die EU-Reformen und der österreichische EU-Ratsvorsitz in der zweiten Hälfte 2018. Österreich sei ein pro-europäisches Land, das aktiv in der EU mitgestalten wolle, so Kurz. Österreich wolle einen Beitrag leisten für mehr Subsidiarität in der EU und dazu beitragen, dass Krisen wie die Migrationsfrage überwunden werden. "Wir wollen auch einen Beitrag leisten, dass die Spannungen in der EU, die zwischen Ost und West entstanden sind, wieder reduziert werden können."
Während seines EU-Ratsvorsitzes strebe Österreich eine intensive Zusammenarbeit mit dem Europaparlament an, sagte Kurz. Tajani betonte, er habe Kurz nach Straßburg zu einem "echten Gespräch" mit allen Fraktionen eingeladen, wie er dies bei allen Premierministern mache. Wann der Besuch stattfinden soll, sagte er nicht. Außerdem habe er Kurz für den österreichischen EU-Vorsitz seine Unterstützung versprochen. Die Fraktionschefs des EU-Parlaments würden im nächsten Juni in Wien ein Treffen abhalten.