EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat das Regierungsprogramm der neuen österreichischen Koalition gelobt. Es "passt uns zu fast 100 Prozent", sagte Juncker nach dem Besuch von Österreichs Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Dienstag in Brüssel. Zur FPÖ merkte er an, dass er "keine Vorverurteilungen" vornehmen wolle. Allerdings gab es von Juncker Kritik an der neuen Außenministerin.
"Ich wünsche mir nur, dass die Außenministerin ihr Bild, das sie über mich hat, in Teilen, vielleicht zur Gänze korrigiert. Sie hat gesagt, ich bin arrogant und zynisch. Wer Außenminister ist, muss sich daran gewöhnen, sich etwas diplomatischer auszudrücken", so der Kommissionspräsident über Ministerin Karin Kneissl. Unmittelbar nach dem Brexit-Referendum schoss sich Kneissl in einem Beitrag für die "Kronen Zeitung" auf EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ein, den sie als "Zyniker der Macht", "rüpelhaft" und "arrogant" bezeichnete. "Er gebärdet sich als Brüsseler Cäsar, der es sich zum Ziel gesetzt hat, Vereinbarungen zu brechen, wenn es ihm nützlich scheint", schrieb Kneissl im Juli 2016.
Thema illegale Migration
Juncker konzediert, dass die FPÖ das proeuropäische Regierungsprogramm mittrage, wobei er hinzufügte, dass die Koalition an ihren Taten gemessen werde. Kurz unterstrich, dass sich "Österreich noch stärker in die EU einbringen" wolle. "Wir wollen einen Beitrag für eine starke Europäische Union leisten, und vor allem die Subsidiarität stärken". Seine Haltung zur Migrationsfrage sei bekannt, "wir werden gegen illegale Migration nach Europa kämpfen". Angesprochen darauf, ob er die Umverteilung akzeptiere, sagte Kurz, "natürlich akzeptieren wir die Umverteilungsentscheidung. Aber Umverteilung allein kann nicht die Antwort sein, um eine Lösung auf die Migrationskrise zu finden. Wir müssen die Außengrenzen sichern und beschließen, wer nach Europa herein darf. Das sollten nicht andere beschließen". Kurz weiter: "Nur wenn wir die illegale Migration stoppen können, wird ein Europa ohne Grenzen nach innen weiter selbstverständlich sein".
Juncker zeigte sich "hoffnungsfroh" und sprach von einer guten Zusammenarbeit mit Kurz. Die sei umso wichtiger, als Österreich im zweiten Halbjahr 2018 den Vorsitz der EU übernehme. "Das Gespräch mit Kanzler Kurz war schlüssig in der Sache und freundschaftlich in der Tonalität".
Juncker "kein Freund von extrem rechts"
Angesprochen auf den doch deutlichen Unterschied nach der nunmehr erfolgten Regierungsbildung zwischen ÖVP und FPÖ gegenüber dem Jahr 1999/2000, als Sanktionen gegen Österreich verhängt wurden, sagte Juncker, "die EU und ihre Institutionen haben keine Sanktionen verhängt. Das waren die 14 Mitgliedsstaaten". Konkret zur Europatauglichkeit der Freiheitlichen befragt erklärte der Kommissionspräsident, "es gehört nicht zu meinen Gepflogenheiten, die Regierung in die sie zusammensetzenden Teile zu zerlegen und sie zu kommentieren". Er sei "kein Freund von extrem rechts", dies brauche er nicht zu betonen. Aber "ich lese nur im Regierungsprogramm, das Kurz mit den FPÖ-Vertretern ausgehandelt hat, dass es stimmig ist und eine proeuropäische Tonalität in sich trägt."
Der von der ÖVP entsandte EU-Nachbarschaftskommissar Johannes Hahn zeigte sich über das Regierungsprogramm erfreut. "Die Erwartungen wurden übertroffen", meinte er. Zuvor hatten sowohl EU-Ratspräsident Donald Tusk als auch Juncker Kurz einen freundlichen bis herzlichen Empfang in Brüssel bereitet. Tusk und Juncker sprachen dem neuen Bundeskanzler ihr vertrauen aus und bezeichneten Österreich als weiterhin zuverlässigen Partner.