Die Ankündigung von US-Präsident Donald Trump am Mittwoch sei "eine gefährliche Verletzung des internationalen Rechts", heißt es in der am Sonntag veröffentlichten Erklärung der Minister. Rechtlich sei der US-Beschluss ohne Bedeutung, der die Gewalt in der Region weiter anheizen werde. Der Libanon brachte die Verhängung von Wirtschaftssanktionen seitens der arabischen Staaten gegen Washington ins Spiel.

Liga-Generalsekretär Ahmed Abul Gheit sieht das Vertrauen in die USA als Vermittler im Nahost-Konflikt als gestört. Der umstrittene US-Entschluss zur Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt werfe "Fragen zu ihrer Rolle und ihrer Verpflichtung für die Stärkung von Stabilität und Frieden in der Region auf", sagte er am Samstagabend bei der Dringlichkeitssitzung des arabischen Staatenbundes. Der Vorstoß von US-Präsident Donald Trump sei wegen seiner Konsequenzen gefährlich und schlecht in Inhalt und Form, so Gheit weiter.

Jerusalem als Hauptstadt anerkannt

Trump hatte am Mittwoch entgegen internationaler Gepflogenheiten Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt. Israel beansprucht ganz Jerusalem als seine unteilbare Hauptstadt. Dieser Anspruch wird international nicht anerkannt. Die Palästinenser wollen in dem von Israel annektierten Ost-Jerusalem die Hauptstadt eines künftigen Palästinenserstaates ausrufen. "Wir rufen alle auf, Palästina als Staat anzuerkennen und Ost-Jerusalem als seine Hauptstadt", sagte Gheit in seiner Eröffnungsansprache.

Seit der umstrittenen US-Entscheidung kommt es zu Unruhen. Nach israelischen Luftangriffen im Gazastreifen und Protesten im Heiligen Land ist die Zahl der getöteten Palästinenser auf vier gestiegen, wie das palästinensische Gesundheitsministerium am Samstag mitteilte. Im Westjordanland, in Ost-Jerusalem und im Gazastreifen kam es erneut zu Zusammenstößen.

Mindestens 170 Menschen wurden nach Angaben des palästinensischen Rettungsdienstes Roter Halbmond und des palästinensischen Gesundheitsministeriums in Gaza verletzt. Der größte Teil davon litt unter Kontakt mit Tränengas. Die israelische Polizei meldete vier verletzte Polizisten. 13 Palästinenser wurden festgenommen.

Bei israelischen Luftangriffen im Gazastreifen wurden in der Nacht auf Samstag zwei Menschen getötet und 15 verletzt. Unter den Verletzten befinde sich auch ein sechs Monate altes Baby, teilte das palästinensische Gesundheitsministerium mit. Die beiden Toten waren Mitglieder der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas gewesen, wie die Organisation selbst sagte.

Die israelische Luftwaffe reagierte mit dem Beschuss in Gaza auf Raketenangriffe aus der Küstenenklave. Sie griff nach Armeeangaben vier Standorte der Hamas an: zwei Waffenfabriken, ein Waffenlager und einen Militärstützpunkt. Bereits am Freitag waren bei Unruhen nach palästinensischen Angaben zwei Menschen getötet worden.

Zu neuer Intifada aufgerufen

Die Hamas rief am Samstag die Palästinenser wegen Trumps Entscheidung erneut zu einem Aufstand (Intifada) gegen Israel auf.

Die für Sonntag angekündigte Übergabe der Kontrolle des Gazastreifens an die gemäßigte Palästinenserbehörde könnte sich weiter verzögern. Am Samstag gab es von der Autonomiebehörde keine Informationen über einen möglichen Zeitplan. Die noch im Gazastreifen herrschende Hamas nannte erneut Sonntag als geplanten Tag der Übergabe, gab aber keine weiteren Details bekannt.

Die beiden größten Palästinenserorganisationen, die Fatah von Präsident Mahmoud Abbas sowie die Hamas, hatten nach mehr als zehnjährigem Bruderzwist am 12. Oktober in Kairo ein Versöhnungsabkommen unterzeichnet. Im Zuge der Jerusalem-Krise hatten beide Seiten ihre Absicht bekräftigt, die innerpalästinensische Spaltung zu überwinden.

Am Freitagabend war eine Rakete aus dem Gazastreifen in der südisraelischen Stadt Sderot eingeschlagen. Nach einem Bericht der Tageszeitung "Haaretz" wurden Autos beschädigt, Verletzte gab es keine. Die israelische Raketenabwehr fing ein weiteres Geschoß ab, von einer dritten Rakete wurde zunächst kein Einschlag gemeldet.

"Die Raketen, die auf israelische Gemeinden abgefeuert wurden, sind ein schwerer Akt der Aggression", teilte die Armee mit. "Die Hamas ist verantwortlich für diese Angriffe, die das Leben von Zivilisten bedrohen, und alle Aktionen, die vom Gazastreifen ausgehen."

Zwei radikale Palästinensergruppierungen bekannten sich am Samstag zu den Raketenangriffen: sowohl die Al-Aqsa-Brigaden, der militärische Arm der Fatah-Bewegung, von Abbas als auch die Gruppe Volkswiderstandskomitees, die der Hamas nahesteht. Die Al-Aqsa-Brigaden folgen nicht der Linie von Abbas, der als gemäßigter gilt.

Trump hat angesichts der Unruhen zu "Ruhe und Mäßigung" aufgerufen. Das sagte Trumps Sprecher Raj Shah zu Journalisten an Bord der Präsidentenmaschine Air Force One, die Trump am Freitagabend (Ortszeit) zu einer Veranstaltung nach Florida brachte. Shah betonte, dass Trump weiterhin eine "dauerhafte Friedensvereinbarung zwischen Israelis und Palästinensern" anstrebe.

Der Chefdiplomat des Papstes, Kardinal Pietro Parolin, bezeichnete die neue Gewalt im Heiligen Land als beunruhigend. "Hoffen wir, dass jetzt nicht ein Prozess beginnt, der mehr Gewalt und Spannungen bringt", sagte der Kardinalstaatssekretär dem Sender TV2000 am Freitag in einem Interview.

Eine Interessensvertretung der Flüchtlingslager der Vereinten Nationen im Westjordanland erklärte am Samstag, Mitarbeitern mit US-Pässen den Zutritt zu ihren Büros verweigern zu wollen.

Der Palästinensische Apothekerverband rief zu einem Boykott von Medikamenten aus den USA auf.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu kritisierte europäische Reaktionen auf die Jerusalem-Entscheidung Trumps. "Ich höre (aus Europa) viele Stimmen, die Präsident Trumps historische Ankündigung verurteilen. Aber ich habe keine Verurteilung des Raketenbeschusses auf Israel gehört, der (nach der Ankündigung) kam, und der entsetzlichen Hetze gegen uns", erklärte Netanyahu.

Es gibt aber auch wohlwollende Kommentare in Europa: So wünscht sich FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache eine Verlegung der österreichischen Botschaft nach Jerusalem, will aber wegen der Neutralität keinen Alleingang unternehmen. "Ich kann dem Wunsch Israels etwas abgewinnen, weil viele politische Vertreter sagen: Unsere Hauptstadt ist Jerusalem, dort ist der Sitz der Knesset", sagte Strache dem "Kurier" (Sonntagsausgabe). "Doch wir Österreicher als neutrales Land haben darauf zu achten, keine Alleingänge zu unternehmen, sondern in der EU einen Gleichklang zu finden - mit einer Tendenz." Der tschechische Präsident Milos Zeman kritisierte die Europäische Union als "feig". Die EU tue alles, damit eine "pro-palästinensische Strömung über eine pro-israelische Strömung" siege, sagte Zeman.