Aufruhr im Heiligen Land: Nach der Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels durch die USA udn deren Präsidenten Donald Trump ist bei Unruhen in Jerusalem und den Palästinensergebieten ein Palästinenser getötet worden. Mindestens 760 Menschen wurden verletzt. Rund 261 davon erlitten Schusswunden, die Mehrheit durch Gummimantelgeschosse, wie der palästinensische Rettungsdienst Roter Halbmond am Freitag mitteilte.
Im Westjordanland seien Warnschüsse in die Luft abgegeben worden, im Gazastreifen sei auf Anstifter der Unruhen geschossen worden, sagte eine Sprecherin am Nachmittag. Diese seien auch getroffen worden. Die meisten Palästinenser wurden durch Tränengas verletzt.
"Heute, am 30. Jahrestag der ersten Intifada (Palästinenseraufstand), erhebt sich unser Volk in Ablehnung gegen die Erklärung von Trump", sagte Ahmad Bahar, ein führender Hamas-Vertreter, während der Gebete am Freitag in Gaza. "Jerusalem ist die Hauptstadt Palästinas und auch die Hauptstadt der Araber und Muslime." Auch in anderen muslimischen Ländern gingen die Menschen aus Protest gegen die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump auf die Straße, etwa in Ägypten, Jordanien, im Libanon und in Tunesien.
Teilnehmer von Kundgebungen in der Türkei schwenkten palästinensische Flaggen und skandierten Parolen wie "Mörder USA". Im Iran verbrannten Demonstranten US-Flaggen. Der tunesische Präsident Beji Caid Essebsi bestellte den US-Botschafter ein.
In Europa organisierte die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs nach eigenen Angaben in 14 EU-Hauptstädten Aktionen vor US-Botschaften und Parlamenten und machte den Status Jerusalems zum Thema der Freitagspredigt in ihren Moscheegemeinden. In Wien demonstrierten rund 700 Personen vor der US-Botschaft gegen die Entscheidung Trumps.
Tage des Zorns in den Palästinensergebieten
Die radikal-islamische Hamas hatte für Freitag zum Beginn eines neuen Palästinenseraufstands aufgerufen. In Jerusalem, dem Westjordanland und dem Gazastreifen gingen nach den Freitagsgebeten Tausende Palästinenser auf die Straße. Vor allem Jugendliche verbrannten amerikanische Flaggen und setzten Reifen in Brand, warfen mit Steinen und Flaschen auf israelische Sicherheitskräfte. Diese setzten auch Tränengas und Gummimantelgeschosse ein.
Die israelische Polizei war in Jerusalem mit zusätzlichen Hundertschaften präsent. Die israelische Armee hatte bereits zuvor entschieden, mehrere zusätzliche Bataillone ins Westjordanland zu verlegen.
Israel eroberte 1967 im Sechs-Tage-Krieg unter anderem Ost-Jerusalem von Jordanien und annektierte den Stadtteil später. Die internationale Gemeinschaft erkennt diesen Schritt nicht an. Die Palästinenser wollen Ost-Jerusalem als Hauptstadt für einen künftigen unabhängigen Staat Palästina. Israel beansprucht die ganze Stadt für sich. Die Altstadt mit der Klagemauer und dem Tempelberg liegt in Ost-Jerusalem.
Nach einem Raketenangriff aus dem Gazastreifen griffen die israelischen Streitkräfte am Donnerstagabend Stützpunkte der dort herrschenden Hamas an. Eine Rakete sei im Süden Israels explodiert, teilte das Militär mit. Daraufhin hätten ein Panzer und ein Kampfjet zwei Posten im Gazastreifen beschossen.
Die Palästinenser gingen diplomatisch auf Distanz zu den USA. Nach der Entscheidung Trumps wird Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas nach Angaben von Fatah-Vertretern US-Vizepräsident Mike Pence nicht wie geplant in Bethlehem treffen. "Dieses Treffen wird nicht stattfinden", sagte der ehemalige Sicherheitschef Jibril Rajoub in einem Fernsehinterview. "Ich sage, im Namen der Fatah, dass wir keinerlei US-Vertreter in den Palästinensergebieten treffen werden."
Pence habe Abbas am 19. Dezember in Bethlehem treffen wollen, sagte Rajoub. Die BBC berichtete, die USA hätten die Palästinenser vor einer Absage des Treffens gewarnt. Abbas' Sprecher sagte dem arabischen Sender Al-Jazeera am Freitag zu der Warnung: "Jerusalem ist wichtiger, als jedes Treffen mit Pence oder irgendeinem anderen amerikanischen Vertreter." Der Großimam der ehrwürdigen Al-Azhar in Kairo sagte aus Protest ebenfalls ein Treffen mit Pence ab.
Israel will neue Siedlungen bauen
Israel möchte nach Medienberichten nun den Bau von Siedlerwohnungen vorantreiben. 14.000 neue Wohnungen sollen entstehen, davon 6.000 in Ost-Jerusalem, berichtete die Zeitung "Maariv". Das wäre der erste große Entwicklungsplan in Ost-Jerusalem in den vergangenen 20 Jahren, schrieb die "Times of Israel".
Angesichts der befürchteten Eskalation der Gewalt in der Region kam der UN-Sicherheitsrat zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen. Die NATO-Partner Frankreich und Großbritannien als UN-Vetomächte sowie weitere Mitglieder des Weltsicherheitsrates hatten das Treffen in New York beantragt.
Trump hatte am Mittwoch Jerusalem als Hauptstadt des Staates Israel anerkannt und das Außenministerium angewiesen, mit dem Prozess zur Verlegung der Botschaft zu beginnen. Nach Einschätzung von US-Außenminister Rex Tillerson wird die US-Botschaft in Israel wohl nicht vor 2019 von Tel Aviv nach Jerusalem umziehen. Es seien Genehmigungen nötig und das Gebäude der diplomatischen Vertretung müsse erst gebaut werden.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron rief nach der viel kritisierten Jerusalem-Entscheidung zur Ruhe auf. Der Status von Jerusalem müsse Gegenstand von Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern sein.