Ost und West, Klein und Groß, Sozialisten und Konservative - und das heikle Terrain künftiger EU-Reformen als wichtige Aufgabe. Wenn die Eurogruppe am Montag (04.12.) ihren neuen Präsidenten wählt, spielen dabei fast alle europäischen Gegensätze eine Rolle. Vier Kandidaten haben ihren Hut in den Ring geworfen.
Die seit 1998 informell tagende Gruppe der derzeit 19 Finanzminister des gemeinsamen Währungsgebiets hat sich in den vergangenen Jahren zu einem der weltweit wichtigsten Finanzgremien entwickelt. Hinter verschlossenen Türen entscheiden die Minister über milliardenschwere Hilfsprogramme und teils harsche Reformauflagen für Krisenländer sowie die Ausrichtung von Europas Wirtschafts- und Finanzpolitik.
In den vorigen gut fünf Jahren führte der niederländische Sozialist Jeroen Dijsselbloem die Eurogruppe. Er übernahm den schwierigen Job mitten in der Schuldenkrise 2013 und galt anfangs als überfordert. Zuletzt erhielt er allerdings für seine ruhige und präzise Führung von etlichen Seiten Lob. Seine Amtszeit endet im Januar.
Um die Nachfolge ringen der portugiesische Sozialist Mario Centeno, der Luxemburger Liberale Pierre Gramegna, der slowakische Sozialist Peter Kazimir sowie Dana Reizniece-Ozola, Mitglied der grünen Bauernpartei in Lettland. Jedes Mitglied der Eurogruppe hat bei der Wahl eine Stimme, eine einfache Mehrheit von zehn Stimmen genügt.
Der oder die künftige Vorsitzende sollte dabei gleich eine ganze Reihe von Kriterien erfüllen. Da die konservative Europäische Volkspartei (EVP) mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, EU-Ratspräsident Donald Tusk und Europaparlaments-Präsident Antonio Tajani derzeit die wichtigsten Posten in Europa besetzt, sollte der künftige Eurogruppenchef aus einem anderen politischen Lager kommen.
Diese Voraussetzung erfüllen sämtliche Kandidaten. Ihre Chancen dürften trotzdem unterschiedlich ausfallen. Das kleine Luxemburg hat mit Juncker bereits einen wichtigen Posten, es beheimatet zudem neben Brüssel eine ganze Reihe an EU-Einrichtungen. In EU-Kreisen herrscht teilweise die Ansicht, dass Luxemburg bereits überproportional stark vertreten ist. Gramegnas Chancen dürfte dies nicht unbedingt erhöhen.
Die östlichen EU-Länder fühlen sich hingegen unterrepräsentiert, Kazimir könnte hier eine Lücke füllen. Der joviale Redner hatte sich in der Euro-Schuldenkrise stets für einen bereits von Dijsselbloem verfolgten und von Deutschland unterstützten Sparkurs stark gemacht.
Eine Wahl Centenos wäre hingegen ein starkes Signal für das herbeigesehnte Ende der Krise. Die wirtschaftspolitische Lage in Portugal hat sich in den vergangenen Jahren verbessert. Sollte er den Posten bekommen, wäre das einstige Krisenland zumindest symbolisch im Herzen der Eurozone angekommen. Spanien signalisierte bereits, ihn unterstützen zu wollen, auch aus Frankreich könnte Centeno Rückhalt bekommen. Der frühere deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) lobte ihn in Anspielung auf den Weltfußballer aus Portugal als "Ronaldo der Eurogruppe". Der lettischen Schach-Großmeisterin Reizniece-Ozola werden dagegen eher Außenseiterchancen eingeräumt.
In jedem Fall warten auf den künftigen Eurogruppen-Chef große Aufgaben. Während Dijsselbloems Amtszeit vor allem von hitzigen Notfall-Sitzungen in der Griechenland-Krise bestimmt war, dürfte es ab sofort eher darum gehen, Reformen der Währungsunion voranzutreiben und die Eurozone damit besser gegen künftige Krisen zu wappnen.
Im Gespräch ist dabei noch, den Eurogruppenchef mit deutlich mehr Kompetenzen auszustatten und ihn gleichzeitig zum Vizepräsidenten der EU-Kommission sowie zu einer Art EU-Finanzminister zu machen. Die Debatten darüber stecken allerdings noch im Anfangsstadium.
Alkimos Sartoros