Im Machtkampf um die Zukunft von CSU-Chef und Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer will die Partei am Montag die Weichen stellen. Während die Schwesterparteien CDU und CSU in Berlin mit der SPD um eine Fortsetzung ihrer Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf Bundesebene in Deutschland ringen, steuert der Führungsstreit der CSU in Bayern auf einen Höhepunkt zu.
Die Landtagsfraktion, die bei der Wahl im kommenden Jahr um ihre absolute Mehrheit bangt, hat die Geduld mit Seehofer verloren: Sie will am Montag in geheimer Abstimmung einen Wunschkandidaten für seine Nachfolge als Landes-Regierungschef auf den Schild heben. Anschließend berät in München der Parteivorstand über die Führungsfrage und auch über die jüngsten Gespräche mit der SPD im Bund. Zu Beginn beider Sitzungen will Seehofer seine bisher unbekannten Vorstellungen erläutern.
Die besten Chancen auf die Spitzenkandidatur werden in der Fraktion Seehofers Erzrivalen Markus Söder eingeräumt. Der 50-jährige Landes-Finanzminister läuft sich seit Jahren warm für die Nachfolge des Patriarchen. Offiziell hat er sich allerdings ebenso wenig erklärt wie mögliche Gegenkandidaten. Seehofer hat wiederholt deutlich gemacht, dass er seinen polarisierenden Vorstandskollegen nicht für einen geeigneten Erben hält. Der 68-Jährige geriet in seiner Partei unter Druck, als diese bei der Bundestagswahl im September mit 38,8 Prozent in Bayern ihr schlechtestes Wahlergebnis seit Jahrzehnten einfuhr.
In den gut zwei Monaten seither gelang es Seehofer wiederholt, eine Entscheidung in der Führungsdebatte zu verzögern. Zur Begründung verwies der CSU-Chef auf die Koalitionssondierungen in Berlin, die seine volle Aufmerksamkeit und ein geschlossenes Auftreten seiner Partei erforderten. Nach dem Platzen der Jamaika-Gespräche der CDU/CSU mit der FDP und den Grünen vertröstete Seehofer seine Kritiker mit dem Argument, er benötige nun Zeit für interne Vorgespräche über die Führungsfrage. Sie sollen am Sonntag abgeschlossen werden.
Seehofers Gegner vor allem in der Fraktion warfen ihm Taktiererei vor und betonten, die Zeit dränge: Denn noch heuer muss die Partei satzungsgemäß ihren Vorstand neu wählen, im Jänner sollen die Vorbereitungen für den Landtagswahlkampf beginnen. Der Parteitag Mitte Dezember in Söders Heimat Nürnberg hat auch das letzte Wort über den Spitzenkandidaten. Dass sich die Delegierten dort über das Votum der Fraktion hinwegsetzen, gilt nur dann als ausgeschlossen, wenn diese mit überragender Mehrheit für eine Person stimmt.
Einig ist sich die CSU lediglich darüber, dass der Kandidat mit den besten Chancen auf ein gutes Wahlergebnis die Partei in den Wahlkampf führen müsse. Heftig umstritten ist dagegen, wer diese Qualifikation erfüllt: Seehofer, der bisher an Parteivorsitz und Ministerpräsidentenamt festhält, wurde zuletzt vor allem als Regierungschef infrage gestellt. Als Parteichef dagegen gilt er wegen der schwierigen Regierungsbildung im Bund vielen in der CSU bisher als unverzichtbar.
Söder, anerkannt als Finanzminister und bekannt für markante Worte auch gegen Seehofers Linie, hat in der Partei glühende Anhänger und erbitterte Gegner. Als mögliche Alternative zu ihm kam zuletzt wieder Seehofers enger Vertrauter Joachim Herrmann ins Spiel. Der bayerische Innenminister war bereits auf Seehofers Wunsch Spitzenkandidat bei der Bundestagswahl und ist bisher auch als möglicher deutscher Innenminister im Gespräch. Dass er den Einzug ins Parlament verpasste, wurde in der Partei Seehofer und nicht Herrmann selbst angelastet: Platz eins auf der Landesliste nützte dem Minister nichts, weil die CSU trotz des für sie desaströsen Wahlergebnisses alle ihr zustehenden Sitze bereits mit Direktmandaten ausschöpfte. Der 61-Jährige hatte keinen eigenen Wahlkreis. Herrmann profilierte die CSU durch einen harten innenpolitischen Kurs, gilt aber als umgänglich im Ton.
Der von Seehofer geschätzten Landes-Wirtschaftsministerin Ilse Aigner wurden in CSU-Kreisen zuletzt nur Außenseiterchancen auf die Spitzenkandidatur eingeräumt. Die Vize-Ministerpräsidentin war mit dem Vorschlag einer Urwahl des Spitzenkandidaten durch die Parteibasis sowohl im Seehofer-Lager als auch bei Söders Anhängern auf Widerstand gestoßen. Als Chefin des größten Parteibezirks Oberbayern hat aber auch Aigner ein gewichtiges Wort in der Führungsdebatte mitzureden.
Jörn Poltz