Die schiitischen Houthi-Rebellen im Jemen haben nach eigenen Angaben eine Cruise-Missile-Rakete in Richtung eines Atomreaktors in Abu Dhabi in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) gefeuert. Das berichtete der Fernsehsender der Gruppe am Sonntag, allerdings ohne Beweise dafür vorzulegen. In den VAE gab es keine Meldungen über Raketenangriffe.
Die vom Iran unterstützten Houthis, die den Großteil des Nordjemen kontrollieren, betrachten Abu Dhabi als Angriffsziel für seine Raketen. Das Emirat ist Mitglied der Saudi-geführten Militärallianz, die die schiitischen Rebellen seit 2015 bekämpft.
Auf der Website des Houthi-Senders hieß es, die Lenkwaffe sei in Richtung des Al-Barakah-Atomreaktors in Abu Dhabi abgefeuert worden. Nähere Details wurden nicht genannt.
Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) wiesen die Angaben der Houthis zurück, wie die staatliche Nachrichtenagentur WAM meldete. Die VAE verfügten zudem über ein Raketenabwehrsystem, das derartigen Bedrohungen begegnen könne. Der Al-Barakah-Reaktor sei gegen alle Eventualitäten geschützt.
Der Reaktor in Barakah wird von der Korea Electric Power Corporation (KEPCO) errichtet und soll im nächsten Jahr in Betrieb gehen, teilte das Energieministerium der VAE mit.
Kehrtwende
Im Bürgerkrieg im Jemen hat der mächtige Ex-Präsident Ali Abdullah Saleh eine Kehrtwende vollzogen: Saleh scherte am Samstag aus dem Bündnis mit den vom Iran unterstützten Houthi-Rebellen aus und erklärte sich zu Gesprächen mit der von Saudi-Arabien geführten Militärkoalition bereit.
Die Houthis warfen Saleh daraufhin "Hochverrat" vor. In der Hauptstadt Sanaa lieferten sich die einstigen Verbündeten am Samstag heftige Kämpfe.
Mehr als acht Millionen Menschen könnten aufgrund des Jemen-Krieges ohne direkte Hilfe verhungern, warnten die UN-Vertreter unter anderem von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und dem Kinderhilfswerk UNICEF. Die UN-Vertreter kündigten an, ein Team nach Riad zu schicken, das dort mit der Militärkoalition sowie mit der Regierung des Landes sprechen soll.
Der 2012 gestürzte Saleh und Houthi-Chef Abdul Malik al-Houthi waren jahrzehntelang verfeindet gewesen, bis sie sich gegen den sunnitischen Präsidenten Abd Rabbo Mansur Hadi verbündeten. Salehs Militäreinheiten und die schiitischen Houthi-Rebellen vertrieben Hadi 2014 aus der Hauptstadt Sanaa. Hadi floh nach Saudi-Arabien; seine Truppen lieferten sich fortan Kämpfe mit Saleh-treuen Einheiten und Rebellen. 2015 griff das von Saudi-Arabien angeführte Militärbündnis zur Unterstützung Hadis in den Konflikt ein. Seitdem wurden mehr als 8750 Menschen getötet.
Mit seiner Kehrtwende will Saleh nach eigenen Angaben eine Aufhebung der Blockade erreichen, mit der die von Saudi-Arabien angeführte Militärkoalition das Land belegt hat. "Ich rufe unsere Brüder in den Nachbarländern auf, ihre Aggression zu stoppen und die Blockade aufzuheben, und wir werden das Blatt wenden", sagte Saleh in einer Fernsehansprache.
Die von Riad angeführte Koalition begrüßte Salehs Gesprächsangebot. Salehs Gruppierung habe sich entschieden, "die Führung zu übernehmen", hieß es in einer Meldung der staatlichen saudi-arabischen Nachrichtenagentur SPA. Saleh werde dazu beitragen, den Jemen von den Iran-treuen Milizen zu "befreien".
Salehs bisheriger Bündnispartner, die Houthi-Rebellen, reagierten erbost: Er werde Saleh und Saudi-Arabien nun "als eine Front" ansehen, erklärte Rebellenchef Abdul Malik al-Houthi. Er warf Saleh "Hochverrat" vor. Ein Houthi-Sprecher hatte Salehs Schritt zuvor bereits als "Putsch gegen unsere Allianz und Partnerschaft" verurteilt.
Das Bündnis zwischen den Anhängern Salehs und den Houthi-Rebellen hatte zuvor bereits Risse bekommen, was Ängste vor einer neuen mächtigen Front in dem Konflikt schürte. Am Samstag gab es in Sanaa den vierten Tag in Folge bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen den bisherigen Verbündeten. Nach Angaben der Houthis wurden dabei mindestens 40 Kämpfer getötet. In Sicherheitskreisen in Sanaa war sogar von mehr als 60 Toten die Rede.
Laut Augenzeugen lieferten sich bewaffnete Gruppierungen Kämpfe um strategisch wichtige Orte wie den Flughafen und Ministerien. Die Straßen waren am Samstagabend menschenleer. Ein Bewohner beschrieb Sanaa als "Geisterstadt".
Im Jemen herrscht wegen des jahrelangen Konflikts und aufgrund einer Dürre eine schwere humanitäre Krise. Verschärft wird diese durch eine Blockade, die das von Saudi-Arabien angeführte Militärbündnis Anfang November nach dem Abschuss einer Rakete auf den Flughafen der saudi-arabischen Hauptstadt Riad verhängt hatte. Die Rakete war von Saudi-Arabien abgefangen und zerstört worden.
Am Samstag riefen mehrere UN-Organisationen in einer gemeinsamen Erklärung dazu auf, die Blockade zu beenden. Sie verlangten den Zugang zu allen am Roten Meer gelegenen jemenitischen Häfen sowie freien Zugang für humanitäre und kommerzielle Güter. 14 Schiffe mit Treibstoff und Lebensmitteln an Bord warteten demnach auf eine Einfuhrerlaubnis.