Nach einem turbulenten ersten Tag geht in Deutschland heute der AfD-Parteigag in Hannover mit weiteren Wahlen zum Bundesvorstand zu Ende. Auch Richter für das Schiedsgericht der Partei sollen bestimmt sowie Satzungsfragen behandelt werden.
Die AfD hatte am Vorabend den Europaabgeordneten Jörg Meuthen und Bundestagsfraktionschef Alexander Gauland an die Parteispitze gewählt - und ist damit weiter nach rechts gerückt. In einem turbulenten Macht- und Richtungskampf scheiterte am Samstag in Hannover der als vergleichsweise gemäßigt geltende Berliner Landeschef Georg Pazderski.
Gauland war im dritten Wahlgang für den Co-Vorsitz neben Meuthen nur noch als einziger Kandidat angetreten. Er erhielt 68 Prozent der Stimmen.
Zuvor waren zwei Wahlgänge für den Co-Vorsitz ohne Ergebnis geblieben, weil weder Pazderski noch seine überraschend angetretene Gegenkandidatin, die schleswig-holsteinische Landesvorsitzende Doris von Sayn-Wittgenstein, eine ausreichende Mehrheit bekamen. Der Parteitag wurde daraufhin für weitere Beratungen unterbrochen. Sayn-Wittgenstein und dann auch Pazderski zogen ihre Kandidatur zurück - und Gauland trat an. Dem 76-jährigen Strippenzieher der Partei war noch vor dem Parteitag in Medien nachgesagt worden, nicht für den Vorsitz kandidieren zu wollen.
Zuvor hatte Meuthen ohne Gegenkandidaten 72 Prozent der Stimmen erhalten. 24 Prozent stimmten gegen ihn. Der 56-Jährige ist bereits seit 2015 einer der Vorsitzenden der AfD, zunächst amtierte er zusammen mit Frauke Petry, die nach der Bundestagswahl die Partei verlassen hat. Er hat trotz seines wirtschaftsliberalen Hintergrundes viele Unterstützer aus dem rechtsnationalen Flügel um den Thüringer Landeschef Björn Höcke.
Im ersten Wahlgang für den Co-Vorsitz erhielt nur rund 47 Prozent der Stimmen, die als weiter rechts eingeordnete Sayn-Wittgenstein rund 49. Im zweiten Wahlgang kam Pazderski auf 49 Prozent, seine Gegenkandidatin auf knapp 48 Prozent. Damit erreichte auch hier keiner der beiden Kandidaten die erforderliche Mehrheit. Die Delegierten hatten zuvor beschlossen, wieder eine Doppelspitze zu wählen.
Demonstrationen und Proteste
Die Neuwahl der Führung steht im Mittelpunkt des zweitägigen Delegiertenparteitages, der von Demonstrationen und Protesten begleitet wurde.
Gegen den Parteitag formierte sich massiver Widerstand. Rund 6.500 AfD-Gegner zogen nach Polizeiangaben am Nachmittag vom Tagungsort, dem Kongresszentrum, in Richtung Stadtzentrum. Ihre Kundgebung stand unter dem Motto "Unser Hannover - bunt und solidarisch! - Protest gegen Rechtsextremismus und Rechtspopulismus".
Zuvor waren bei Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei mehrere Polizisten und mindestens ein Demonstrant verletzt worden. Auch der AfD-Bundestagsabgeordnete Kay Gottschalk sagte, er sei von Demonstranten an der Hand verletzt worden. Um Blockaden aufzulösen, setzte die Polizei einen Wasserwerfer ein. Zehn Demonstranten wurden nach Polizeiangaben bis zu Mittag in Gewahrsam genommen. Da einige Delegierte wegen der Proteste Probleme hatten, zum Veranstaltungsort zu gelangen, begann der Parteitag verspätet.
Zum Auftakt des Parteitags rief Meuthen die Delegierten zu einer "patriotischen Politik für Deutschland" auf. "Wir sind die einzigen in diesem Land, die das tun", sagte er und warf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) "politisches Zentralversagen" vor. Nach dem Einzug der AfD in den Bundestag als drittstärkste Kraft gehe es der Partei jetzt "nicht um die Futtertöpfe, sondern um unser Land".
Die Neuwahl des Vorstandes solle "ohne Kampfgeschrei" ablaufen, mahnte Meuthen die Delegierten. Seit 2015 sei die AfD erwachsener und klüger geworden. Damals wurde der damalige Parteichef Bernd Lucke gestürzt; er verließ wenig später die AfD.