Vor der entscheidenden Sondierungsphase von Christdemokraten, Liberalen und Grünen zur Bildung einer neuen deutschen Regierung kommen erste deutliche Kompromisssignale. Dabei geht es um die bisher besonders umstrittenen Themen Migration sowie Klima- und Energiepolitik.
Vor allem an die Adresse der FDP warnte die CDU-Chefin Angela Merkel davor, immer wieder eine vorgezogene Neuwahl für den Fall des Scheiterns ins Spiel zu bringen. Auch die CDU müsse ein "Jamaika"-Bündnis nicht um jeden Preis eingehen, sagte die deutsche Bundeskanzlerin am Montag nach Angaben von Teilnehmern in einer Sitzung des CDU-Vorstands in Berlin.
Aber alle Partner hätten die staatspolitische Verantwortung, eine stabile Regierung zustande zu bringen. In der CDU/CSU wird befürchtet, eine Neuwahl könnte zu einer weiteren Stärkung der rechtspopulistischen AfD führen. Nach einer Forsa-Umfrage im Auftrag der Mediengruppe RTL würde sich dann das Ergebnis allerdings kaum vom Resultat der Bundestagswahl vom 24. September unterscheiden.
Basis für die heiße Phase
Am Abend wollten Merkel und der in der eigenen Partei umstrittene CSU-Chef Horst Seehofer mit dem Grünen-Spitzenduo Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir sowie FDP-Chef Christian Lindner und dessen Vize Wolfgang Kubicki zusammenkommen. Die Runde will eine Basis für die heiße Phase der Beratungen schaffen, in die man am Dienstag bei den Fachthemen einsteigen will.
Dabei sollen dem Vernehmen nach die Ergebnisse der ersten zweiwöchigen Sondierungen gewichtet und Prioritäten festgelegt werden. Angestrebt werden bis Mitte November konkretere Ergebnisse zu zentralen Themen, damit die vier Parteien über die Aufnahme formeller Koalitionsverhandlungen entscheiden können.
In der zweiten Phase der Jamaika-Sondierungen geht es nach den Worten Lindners um Bemühungen, Brücken zu bauen. CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder appellierte an die Jamaika-Unterhändler auch angesichts internationaler Krisen, sich ihrer Verantwortung für das Land zu stellen.
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter deutete im Streit über den Kohleausstieg Kompromissbereitschaft an. Er sagte der "Passauer Neuen Presse", die 20 schmutzigsten Kohlekraftwerke müssten schnellstmöglich vom Netz, damit Deutschland das Klimaziel 2020 noch erreiche. "Entscheidend ist aber vor allem, dass insgesamt weniger Kohle verfeuert wird, um die CO2-Minderungsziele zu erreichen", sagte er. Derzeit wird 40 Prozent des Stroms in Deutschland aus Kohle erzeugt.
FDP forderte umsetzbare Vorschläge von den Grünen
Lindner hatte am Wochenende erneut Zweifel an der "physikalischen Machbarkeit grüner Energiepolitik" angemeldet und umsetzbare Vorschläge gefordert. Am Montag plädierte Fraktionsvize Katja Suding dafür, die deutschen Klimaschutzbemühungen zu verlangsamen.
Neben der Klimapolitik ist unter den "Jamaikanern" auch die Migrationspolitik besonders umstritten. Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) deutete beim Thema Familiennachzug Kompromissbereitschaft an. Dagegen machte CSU-Vize Christian Schmidt in der "Passauer Neuen Presse" klar, dass seine Partei in dieser Frage nicht gesprächsbereit sei.
Hofreiter beharrte in der Zeitung auf den Familiennachzug, zeigte sich jedoch in anderen Fragen der Flüchtlingspolitik flexibel. Grünen-Chefin Simone Peter kündigte für die zweite Runde der Sondierungen knallharte Verhandlungen an. Das gelte vor allem für die Themen Klimaschutz und Flüchtlingspolitik.
Merkel hatte die vergangenen vier Jahr in einer Großen Koalition mit den Sozialdemokraten. Diese erklärten nach ihrer Wahlschlappe vom 24. September ihre Regierungsbeteiligung für beendet. Merkel will nun mit Liberalen und Grünen regieren. Die Bezeichnung "Jamaika" leitet sich von den Parteifarben Schwarz, Gelb, Grün ab, die den Nationalfarben der Karibikinsel entsprechen.