In einer bisher beispiellosen Verhaftungswelle hat die Führung Saudi-Arabiens Dutzende Prinzen und Würdenträger des Landes festnehmen lassen. Unter ihnen ist übereinstimmenden Medienberichten vom Sonntag zufolge auch der einflussreiche Milliardär Al-Walid bin Talal, laut "Forbes" der reichste Araber der Welt.
Der saudi-arabische Generalstaatsanwalt bestätigte Untersuchungen, die als Maßnahmen im Kampf gegen Korruption dargestellt wurden. Den Festgenommenen werden unter anderem illegale Geschäfte, Geldwäsche und Veruntreuung öffentlicher Gelder vorgeworfen.
Sicherheitskreise berichteten der Deutschen Presse-Agentur, dass einige von ihnen in Luxushotels in Riad festgehalten würden. Weitere Verhaftungen seien nicht ausgeschlossen. Nahost-Experten sehen in dem Vorgehen vor allem einen Versuch des Kronprinzen Mohammed bin Salman, seine ohnehin weitreichende Macht in der schwerreichen Monarchie weiter zu festigen.
Verdacht auf Geldwäsche
Prinz Al-Walid gehört zu der Gruppe von elf Mitgliedern der königlichen Familie und 38 ehemaligen hochrangigen Würdenträgern sowie ehemaligen und aktiven Ministern, die laut der regierungsnahen Nachrichtenseite "Sabaq" festgenommen wurden.
Der 62-jährige Saudi gilt als einer der einflussreichsten Geschäftsleute im Nahen Osten. Ihm wird den Angaben zufolge Geldwäsche vorgeworfen. Unter den Festgenommenen seien zudem der ehemalige Finanzminister Ibrahim al-Assaf und der Ex-Vorsitzende des königlichen Gerichts, Khalid al-Tuwaijri, hieß es.
Al-Walid bin Talal, ein Enkel des Staatsgründers König Abdelaziz bin Abdel Rahman al-Saud, ist dem Magazin "Forbes" zufolge mit etwa 16 Milliarden Euro Vermögen der reichste Mann der arabischen Welt. Sein Geld hat er mit einem Immobilienimperium gemacht. Ihm gehören über seine Kingdom Holding unter anderem zahlreiche Luxushotels wie das George V in Paris oder das Savoy in London. Auch am Apple-Konzern und dem Kurznachrichtendienst Twitter ist er beteiligt.
Die nun erfolgten Verhaftungen gingen von einem neu eingerichteten Anti-Korruptions-Komitee mit weitreichenden Befugnissen unter Führung von Kronprinz Mohammed aus.
Trend wird fortgesetzt
"Mit den weitreichenden Verhaftungen setzen die saudischen Behörden einen Trend fort, den wir in den letzten Monaten beobachtet haben", sagte H.A. Hellyer von der Denkfabrik Atlantic Council in Washington der Deutschen Presse-Agentur. Es gehe allein um die Festigung der Macht. Überraschend sei dabei allerdings die Geschwindigkeit, mit der dies vor sich gehe.
In den vergangenen Monaten und Jahren hatte der 81-Jährige König Salman eine Reihe von Entscheidungen getroffen, die die Position seines 32-Jährigen Sohnes Mohammed stärken. Der greise König, über dessen möglichen Rücktritt immer wieder spekuliert wird, machte ihn schließlich im Juni zum Thronfolger. Der bisherige Thronfolger wurde abgesetzt und damit ein ganzer Teil der Königsfamilie entmachtet, was nach Medienberichten zu Verstimmung im weit verzweigten Königshaus führte. Die letzten Personalentscheidungen brachten außerdem Vertraute Mohammed bin Salmans in Schlüsselpositionen.
Mächtiger Hitzkopf
"MbS", wie der populäre Prinz genannt wird, hat dabei den Ruf, ein Hitzkopf zu sein und übermäßig nach Macht zu streben. Vor seiner impulsiven Art warnte 2015 bereits der deutsche Bundesnachrichtendienst. Dies zeigt sich unter anderem in der Außenpolitik des jungen Prinzen: Mohammed ist mitverantwortlich für die nach Angaben der Vereinten Nationen desaströse Entwicklung im Jemen-Krieg. Auch wird er als einer der Drahtzieher hinter der Blockade des Golfemirats Katar gesehen.
Innenpolitisch verfolgt der Kronprinz einen Modernisierungskurs des ultrakonservativen Landes, der ihn den Augen vieler junger Saudis zum Hoffnungsträger macht. Unter Mohammed bin Salman soll Saudi-Arabien dabei mit einem riesigen Wirtschaftsumbau unabhängiger vom Öl werden. Die Verhaftung des Geschäftsmannes Al-Walid dürfte aus Sicht von Kommentatoren keine positiven Signale an ausländische Investoren senden.
Der innenpolitische Kurs, das Land entgegen der Meinung konservativer Gelehrter zu öffnen und politische Gegner kaltzustellen, wird dabei von Experten als riskant beschrieben. Die Unzufriedenheit in Teilen der königlichen Familie angesichts der universellen Macht des Kronprinzen sei vernehmbar.
Die Monarchie Saudi-Arabien hat keine geschriebene Verfassung oder unabhängige Staatsorgane. Auch die Grenzen zwischen Staatseigentum und Geld der königlichen Familie sind fließend, was es schwer machen dürfte, Korruption zweifellos zu beweisen.
Prinz Al-Walid ist dagegen nicht als interner Gegner Mohammed bin Salmans bekannt, sondern wird eher als Außenseiter im saudi-arabischen Adel beschrieben. Für ein Mitglied der Königsfamilie galt er jedoch als ungewöhnlich gesprächig. 2015 verfasste er einen Tweet gegen den damaligen US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump und nannte ihn eine "Schande". Kronprinz Mohammed bin Salman hat exzellente Beziehungen zur US-Administration.