Der 53-jährige Carles Puigdemont, in früheren Tagen genannt "Puigdi", ist der Sohn eines Bäckers aus dem Dorf Amer bei Girona. Nach dem Abbruch seines Studiums der katalanischen Philologie arbeitete er als Redakteur bei der Lokalzeitung "El Punt" und stieg dort zum Chefredakteur auf. Als Student überstand er nur knapp einen schweren Verkehrsunfall. Bis heute trägt er Narben im Gesicht, die er mit seiner Pilzfrisur überdeckt.

Carles Puigdemont wurde später der erste Direktor der Katalanischen Nachrichtenagentur (ACN), die der Regionalregierung unterstellt ist, und war Mitbegründer der englischsprachigen Regionalzeitung "Catalonia Today".  2006 wechselte er vom Journalismus in die Politik.Er war - wie viele Katalonen - schon immer ein Anhänger der Unabhängigkeitsbewegung. Schon Anfang der Achzigerjahre posierte er mit der gelb-rot gestreiften Unabhängigkeitsflagge mit dem weißen Stern auf blauem Grund, berichtete "Spiegel Online".  Ein Schneider aus dem nationalistisch gesinnten Heimatdorf Amer bei Girona soll sie für ihn zusammengenäht haben.

Regierungschef kraft "Betriebsunfall"

Im Juli 2011 wurde er als Kandidat der bürgerlich-liberalen Partei CDC zum Bürgermeister von Gerona gewählt, das bis dahin mehr als 30 Jahre eine Hochburg der Sozialisten gewesen war. Im Jänner 2016 wurde er, quasi als "Betriebsunfall", wie er es selber nennt, als Regierungschef der Region Katalonien vorgeschlagen, weil die linksradikale Separatistenpartei seinen Vorgänger Artura Mas nicht im Amt bestätigen wollte und nur ihn als Kompromisskandidaten akzeptierte.

Nicht einmal zwei Jahre später ist Puigdemont als Mann, der Katalonien aus Spanien herauführen wollte, selbst Geschichte. Mit seinem undiplomatischen Unabhängigkeitskurs provozierte er eine tiefe Krise in der in zwei Lage gespaltenen Region.

Ja, aber ...

Das Abspaltungsreferendum bescherte ihm mit 90 Prozent Ja-Stimmen für eine unabhängige Republik Katalonien einen überwältigen Erfolg, aber nur 43 Prozent gingen hin.

Binnen 48 Stunden sollte daraufhin die Unabhängigkeit ausgerufen werden, doch Puigdemont ließ sich Zeit, hoffte, dass es gelingen werde, die Zentralregierung in Spanien für eine Ablösungsprozess zu gewinnen.

Die politische Unterstützung aus dem Ausland ging gegen Null, und auch Spaniens Regierungschef Rajoy blieb hart. Es galt ein Exempel zu statuieren.

Noch in letzter Sekunde hatte Puigdemont versucht, der Demontage zu entgehen, indem er selbst Neuwahlen ausruft. Die eigenen Reihen scheinen ihn davon abgebracht zu haben, der empörte Ruf unter anderem der Studenten, das Ergebnis des Unabhängigkeitsvotums jetzt auch umzusetzen.

Das Gefängnis droht

Puigdemont, kündigte die Generalstaatsanwaltschaft Spaniens an, könnte schon bald wegen Ungehorsams, Rechtsbeugung und Rebellion festgenommen werden. Dieser Moment dürfte, nachdem er sich geweigert hatte, den gegen Spaniens Verfassung verstoßenden Unabhängigkeitsprozess in Katalonien zu stoppen, näher rücken.

Puigdemont scheint diese Aussicht trotz einer Strafdrohung von bis zu 30 Jahren Haft nicht sonderlich zu besorgen. Statt einzulenken, gab er bis zuletzt Durchhalteparolen aus: „Wenn wir uns treu bleiben, werden wir gewinnen!“, rief er noch kurz vor seiner Zwangsentmachtung seinen Anhängern zu, die – nach dem jüngsten Wahlergebnis aus dem Jahr 2015 zu urteilen – knapp die Hälfte der 7,5 Millionen Katalanen ausmachen. Die katalanischen Bürger, sagte er, müssten sich zwischen einem „freien Land“ oder dem entscheiden, was Madrid wolle: „Ein unterwürfiges, eingeschüchtertes und erniedrigtes Katalonien.“

Bereit für die Haft

Puigdemont hat nie einen Zweifel daran gelassen, dass er bereit ist, für seine Überzeugung hinter Gitter zu gehen – so wie die prominenten Unabhängigkeitsaktivisten Jordi Sánchez und Jordi Cuixart. Die Guardia Civil hatte die beiden Mitte Oktober wegen des Verdachts, an einem Aufstand beteiligt zu sein, in Untersuchungshaft genommen. Für Puigdemont sind sie „politische Gefangene“, Opfer der „Repression“ des spanischen Staates, der nach seiner Ansicht wie früher unter der Franco-Diktatur „friedliche Menschen wegen ihrer Ideen verfolgt“.

Schon einmal saß ein katalanischer Ministerpräsident im Gefängnis: Lluís Companys, nach dem viele Straßen und Plätze in Katalonien benannt sind. Er war von 1934-1940 Kataloniens Regierungschef. Companys wurde verhaftet, nachdem er im Oktober 1934 einen „katalanischen Staat“ ausgerufen hatte. 1940 wurde der Republikaner Companys, der sich auch gegen die 1939 beginnende Rechtsdiktatur von General Francisco Franco gestemmt hatte, wegen „Unterstützung einer Rebellion“ zum Tode verurteilt.

Sekunden vor der Hinrichtung in Barcelona, so berichten es die Chronisten, soll Companys gerufen haben: „Für Katalonien!“