Nach Informationen der Zeitung "El Pais" hat Rajoy seine Stellvertreterin Soraya Saenz de Santamaria mit der Übernahme der Verantwortung für die täglichen Amtsgeschäfte betraut. Sie hat offiziell den Posten des abgesetzten katalanischen Vizeregierungschefs Oriol Junqueras übernommen. Insgesamt mussten 150 Mitarbeiter der Regionalregierung gehen.

Die neue Statthalterin Madrids in Katalonien: Soraya Saenz de Santamaria
Die neue Statthalterin Madrids in Katalonien: Soraya Saenz de Santamaria © APA/AFP/JAVIER SORIANO

Der von der spanischen Zentralregierung abgesetzte katalanische Regionalregierungschef Carles Puigdemont hat indes die Fortsetzung der Unabhängigkeitsbestrebungen verkündet. In einer TV-Rede rief er am Samstag in Barcelona die Bürger der Region zum friedlichen Widerstand gegen die von Madrid auf Basis der spanischen Verfassung beschlossenen Zwangsmaßnahmen und zur "Gründung eines freien Landes" auf.

"Unser Wille ist es, weiter zu arbeiten, auch in Kenntnis der aktuellen Schwierigkeiten", sagte Puigdemont in seiner ersten Rede nach der Absetzung. In den spanischen Medien wurde die Rede so interpretiert, dass er der Amtsenthebung nicht Folge leisten wolle.

Die spanische Generalstaatsanwaltschaft kündigte ein Verfahren gegen Puigdemont wegen "Rebellion" an. Die Behörde werde in der kommenden Woche Anklage gegen Puigdemont erheben, sagte ein Sprecher am Freitagabend. Auf "Rebellion" steht im spanischen Recht eine Höchststrafe von 30 Jahren Haft. 

Die abgesetzte katalanische Regionalregierung hat sich am Samstag in Schweigen gehüllt. Weder der bisherige Regierungschef Carles Puigdemont noch sein Vize Oriol Junqueras äußerten sich bis am Samstag zu Mittag öffentlich zur offiziellen Übernahme der katalanischen Amtsgeschäfte durch Madrid.

Auch Polizeichefs abgesetzt

Auch die beiden Chefs der katalanischen Polizeieinheit Mossos d'Esquadra, Pere Soler und Josep Lluis Trapero, wurden abgesetzt. Im Fall Trapero war zunächst vermutet worden, dass er seinen Posten behalten könne. Soler hat seinen Posten nach Informationen der Zeitung "El Mundo" bereits widerstandslos geräumt. Er habe sich in einem Schreiben von seinen Mitarbeitern verabschiedet.

Die katalanische Regionalpolizei Mossos d'Esquadra ist in der Region verwurzelt. Bei dem auch gewaltsamen Vorgehen gegen Demonstranten bei dem Unabhängigkeits-Referendum am 1. Oktober hatte sie sich zurückgehalten. Für die Gewalt wurde in erster Linie die spanische Guardia Civil verantwortlich gemacht.

Mehrere Tausend Menschen haben am Samstag in Madrid für die Einheit des Landes demonstriert. In die Fahnen Spaniens gehüllt oder fahnenschwenkend, riefen sie "Es lebe Spanien" aber auch "Es lebe Katalonien". Die Kundgebung fand zu Mittag auf dem zentralen Plaza Colon statt.

Viele hatten erst in der Früh im Radio von der spontan angesetzten Kundgebung gehört, so dass in allen Straßen weitere Demonstranten zu der Plaza strömten.

Die Emotionen gehen auf allen Seiten hoch: Tausende demonstrierten in Madrid gestern für die Einheit Spaniens und wünschen sich Puigdemont ins Gefängnis
Die Emotionen gehen auf allen Seiten hoch: Tausende demonstrierten in Madrid gestern für die Einheit Spaniens und wünschen sich Puigdemont ins Gefängnis © APA/AFP/JAVIER SORIANO

Die Bischöfe beten für Frieden

Der Erzbischof von Barcelona, Kardinal Juan Jose Omella, hat im Konflikt um die von Katalonien ausgerufene Unabhängigkeit von Spanien zum Frieden gemahnt. Er bete darum, dass "Konfrontation vermieden wird und Gott uns hilft, eine Zukunft in Frieden aufzubauen", sagte er laut Kathpress.

Der aus einem kleinen, zur Region Aragon gehörenden Ort an der Grenze zu Katalonien stammende Omella ist seit zwei Jahren Erzbischof von Barcelona. Als Bischof teile er "den Schmerz und das Leid der Menschen", meinte der Kardinal. "Mein Herz weint mit ihnen." Er liebe Barcelona und Katalonien, sagte Omella: "Die Katalanen sind wundervolle Menschen, und ich liebe Spanien, ich liebe Europa, wo wir hingehören."

Die Spanische Bischofskonferenz hatte im Vorfeld des katalanischen Unabhängigkeits-Referendums vom 1. Oktober aufgerufen, die spanische Verfassung zu respektieren und von "unumkehrbaren und folgenschweren" Handlungen abzusehen. Mehrere hundert katalanische Priester und Diakone hatten sich hingegen öffentlich hinter das Referendum gestellt.

15 Tage Zeit für den Wahlkampf

In der digitalen Form des Amtsblattes wurden am Samstag auch erste Details zu den geplanten Wahlen veröffentlicht. Demnach haben die Parteien für den Wahlkampf 15 Tage Zeit. Er beginnt am 5. Dezember. Der spanische Senat hatte mit der Billigung des nie zuvor angewandten Verfassungsartikels 155 am Vortag den Weg für die Entmachtung und für Neuwahlen am 21. Dezember freigemacht. 

Das katalanische Parlament hatte am Freitag nur kurz vor der Entscheidung im Senat für einen Prozess zur Loslösung von Spanien und zur Gründung eines unabhängigen Staates gestimmt - allerdings ohne einen Zeitplan festzulegen. Tausende auf den Straßen bejubelten dies als Unabhängigkeitserklärung.

Bei einer Demonstration von ultrarechten Gruppen gegen den Unabhängigkeitsbeschluss beschädigten Teilnehmer am späten Freitagabend Glastüren und Fenster des Radiosenders Catalunya Radio. Nach Berichten der Zeitung "El Diario" und anderer Medien wurden auch Passanten attackiert.

"Abspaltung von Spanien ist Abspaltung von Europa"

EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani hat indes den abgesetzten katalanischen Regierungschef Carles Puigdemont gewarnt, dass niemand in Europa Katalonien als unabhängigen Staat anerkennen werde. "Die Sezession von Spanien bedeutet die Sezession von Europa. Die Katalanen sind Europäer, weil sie Spanier sind", so Tajani im Interview mit der Mailänder Tageszeitung "Il Giornale" (Samstag-Ausgabe).

"In Katalonien ist die spanische Verfassung verletzt worden, die Teil des europäischen Systems ist", sagte Tajani. Es sei ein schwerer Fehler der Befürworter der katalanischen Unabhängigkeit, Spanien als Regime zu bezeichnen. "Spanien ist ein demokratisches Land mit freien Wahlen und einer starken regionalen Autonomie", so Tajani.

Das Verhalten der spanischen Polizei gegen Demonstranten rund um das Unabhängigkeitsreferendum sei in einigen Fällen kontrovers gewesen. "Doch die Polizei zu kritisieren, ist eine Sache, die Demokratie infrage zu stellen, eine andere", so der Italiener. Nur eine Minderheit der katalanischen Bevölkerung habe sich am Unabhängigkeitsreferendum beteiligt. "Es ist unannehmbar, dass diese Minderheit den Katalanen, die Spanier bleiben wollen, die Sezession aufzwingt", sagte Tajani.