Der deutsche Altkanzler Gerhard Schröder hat nach Worten von Außenminister Sigmar Gabriel (beide SPD) in der Türkei im Fall des freigelassenen Menschenrechts-Aktivisten Peter Steudtner vermittelt. "Ich bin Gerhard Schröder sehr dankbar für seine Vermittlung", sagte Gabriel am Donnerstag dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel".

"Es ist ein erstes Zeichen der Entspannung, denn die türkische Regierung hat alle Zusagen eingehalten", strich Gabriel hervor. Dem "Spiegel" zufolge reiste Schröder eine Woche vor der Bundestagswahl in Deutschland (24. September) zum türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, um mit ihm über Steudtner und die anderen deutschen Inhaftierten zu sprechen. Die Vermittlung Schröders sei im Auftrag der deutschen Regierung erfolgt.

Nach seiner Freilassung in der Türkei wird der deutsche Menschenrechtler Peter Steudtner schon am Donnerstag wieder in Deutschland erwartet. Sein Anwalt kündigte nach der Gerichtsentscheidung am Mittwochabend an, Steudtner und dessen schwedischer Kollege Ali Gharavi würden mit "dem nächstmöglichen Flug" ausreisen.

Unklar war zunächst, wann genau sich Steudtner auf den Rückflug Richtung Deutschland machen wollte. In seinem Heimatort Berlin soll das erste Flugzeug aus Istanbul am Donnerstag um 9.35 Uhr Ortszeit am Flughafen Berlin-Tegel landen.

Drei Monate in Haft

Mehr als drei Monate waren beide in türkischer Haft gesessen, ehe sie ohne Auflagen aus der Untersuchungshaft freikamen. Die deutsche Bundesregierung begrüßte die Entlassung Steudtners, nach dessen international höchst umstrittener Festnahme sie im Juli ihre Türkei-Politik neu ausgerichtet hatte. Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) sprach von einem "ermutigenden Signal", zugleich jedoch von einem "ersten Schritt".

Regierungssprecher Steffen Seibert schrieb bei Twitter: "Endlich! Peter Steudtner und weitere Menschenrechtler kommen frei. Wir freuen uns mit ihnen + denken an die, die immer noch in Haft sind." Die Bundesregierung ist seit Dienstag geschäftsführend im Amt.

Der Anwalt der beiden, Murat Boduroglu, sagte nach der Gerichtsentscheidung: "Der Ausreise steht nichts mehr im Wege." Auch die türkischen Menschenrechtler, die in U-Haft waren, wurden bis zu einem Urteil in dem Verfahren auf freien Fuß gesetzt - teilweise aber unter Auflagen. Eine Ausnahme stellt der ebenfalls angeklagte Amnesty-Vorsitzende der Türkei, Taner Kilic, dar. Er ist wegen eines anderen Verfahrens in Untersuchungshaft, das am Donnerstag in Izmir beginnen soll.

Amnesty International forderte die internationale Gemeinschaft auf, den Druck auf Ankara aufrechtzuerhalten. Es bleibe nach den "schwierigen Instrumentalisierungen der türkischen Justiz (...) noch viel zu tun, um irgendwie von Normalisierung von Beziehungen zu sprechen", sagte der Generalsekretär von Amnesty International Deutschland, Markus Beeko, der Deutschen Presse-Agentur. "Die internationale Staatengemeinschaft ist weiter gefordert, auf allen Ebenen auf die türkischen Behörden und die türkische Regierung einzuwirken, dass Menschenrechtsstandards eingehalten werden und dass wir auch wirklich Rechtsstaatlichkeit und Unabhängigkeit der Justiz sehen."

Verfahren geht weiter

Das Verfahren - unter anderem gegen Steudtner und Gharavi - in Istanbul geht im November weiter - für beide dürfte das aber keine Auswirkungen mehr haben. Sie werden so bald wie möglich in die Heimat fliegen, und die Türkei wird künftig sicher nicht mehr auf der Liste ihrer Reiseziele stehen. Steudtner, Gharavi und neun weiteren Angeklagten wird Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation" beziehungsweise "Unterstützung von bewaffneten Terrororganisationen" vorgeworfen, worauf bis zu 15 Jahren Haft stehen.

Der deutsche Menschenrechtler hatte zum Prozessauftakt am Mittwoch die gegen ihn erhobenen Terrorvorwürfe zurückgewiesen und seine Entlassung aus der Untersuchungshaft gefordert. Steudtner, Gharavi und acht türkische Menschenrechtler waren am 5. Juli bei einem Workshop auf einer Insel bei Istanbul unter Terrorverdacht festgenommen worden. Die beiden Ausländer waren als Referenten zu dem Seminar eingeladen gewesen, bei dem es laut Amnesty International um digitale Sicherheit und die Bewältigung von Stresssituationen ging.

Am 18. Juli verhängte ein Gericht in Istanbul daraufhin Untersuchungshaft gegen Steudtner und Gharavi und mehrere andere Beschuldigte. Kilic war bereits im Juni im westtürkischen Izmir in U-Haft genommen worden, sein Fall wurde der Anklageschrift überraschend hinzugefügt.