CDU, CSU, FDP und Grüne in Deutschland sind fest entschlossen, auch künftig einen ausgeglichenen Haushalt einzuhalten und keine neuen Schulden zu machen. Zudem soll der Solidaritätszuschlag abgebaut werden. Dies geht aus einem Papier hervor, auf das sich die Jamaika-Unterhändler als Zwischenstand am späten Dienstagabend verständigt haben.

"Die Gesprächspartner sind sich darüber einig, dass die Schuldenbremse des Grundgesetzes eingehalten werden muss", heißt es darin. Ohne neue Verschuldung kann die sogenannte Schwarze Null eingehalten werden, wie dies auch der bisherige Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) angestrebt hatte. Nach den Worten von FDP-Chef Christian Lindner könnte das Zwischenergebnis der ersten konkreten Jamaika-Verhandlungen zum Themenbereich Finanzen, Haushalt, Steuern "eine finanzpolitische Trendwende werden".

Kein Bekenntnis zur Schwarzen Null

Die Grünen sehen in der Verständigung mit Union und FDP kein Bekenntnis zur Schwarzen Null. "Das steht unter dem Vorbehalt, dass wir eine Finanzplanung bekommen, und dass das finanzierbar ist", sagte Grünen-Politiker Jürgen Trittin der dpa. Er koordiniert für die Grünen das Thema Finanzen in den Jamaika-Sondierungen. Da das Finanzministerium noch keine Finanzplanung vorgelegt habe, sei nicht klar, ob die Absage an neue Schulden finanzierbar sei.

FDP-Generalsekretärin Nicola Beer sprach am frühen Mittwoch in Berlin von einem "überraschend guten Gesprächsergebnis". Insbesondere kleine und mittlere Einkommen müssten entlastet werden. "Es war ein langer Abend, aber er hat sich gelohnt", sagte CDU-Generalsekretär Peter Tauber. Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner sagte, es gebe einen klaren Dissens bei der Türkei-Frage. Die Grünen "wollen die Beziehungen zur Türkei eingefroren lassen". Einen Abbruch der EU-Beitrittsgespräche halte seine Partei für das falsche Signal.

Keinen EU-Beitritt der Türkei

Dies fordert aber die CSU: "Wir wollen keinen EU-Beitritt der Türkei und wir werden es auch sehr klar positionieren. Wir wollen den Abbruch der Verhandlungen", sagte Generalsekretär Andreas Scheuer.

Für FDP-Vize Wolfgang Kubicki hatte schon vor dem Treffen die Grünen gewarnt, die Schwarze Null im Haushalt infrage zu stellen. Die Parteispitze hatte sich dazu bekannt. Trittin sagte allerdings dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): "Niemandem nützt eine Schwarze Null bei nicht mehr bezahlbarem Wohnraum oder bei Missständen im Pflegebereich."

Substanzsteuern - Vermögensteuer oder Erbschaftsteuer - sollen laut Papier nicht eingeführt werden. Die finanziellen Spielräume wollen die Verhandler auf Grundlage der bisherigen mittelfristigen Finanzplanung gemeinsam erarbeiten. Danach sollen Entlastungsmaßnahmen und Investitionsbedarfe bestimmt werden, heißt es weiter.

In der Einigung sind sieben steuerliche Entlastungsmaßnahmen enthalten. Dazu zählen insbesondere die Entlastung von Familien und Kindern sowie von Beziehern unterer und mittlerer Einkommen. Ebenso solle die energetische Gebäudesanierung - also etwa Wärmeschutz - gefördert werden. In dem Katalog wird zudem die Förderung des Mietwohnungsbaus genannt. Zudem peilen die Verhandler an, Forschung und Entwicklung steuerlich zu unterstützen. Subventionen, die den Klimazielen widersprechen, sollen überprüft werden.

Europa im Fokus

Im Anschluss an die Gespräche über die Bereiche Steuern, Finanzen Haushalt wurde am späteren Abend das Thema Europa aufgerufen. Nach den Worten der Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt muss sich ihre Partei mit Union und FDP darauf verständigen, am gemeinsamen Europa festzuhalten. Es brauche eine deutsche Antwort auf die EU-Reformvorschläge von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.

Grünen-Chef Cem Özdemir forderte vor Beginn der abendlichen Runde Investitionen in die Infrastruktur sowie gezielte Entlastungen. Der Bund solle in Schienen und Straßen, Schulen und schnelles Internet in ländlichen Räumen investieren. "Wenn man keine Neuverschuldung möchte und wenn man gleichzeitig investieren möchte in Infrastruktur, dann kann man nicht gleichzeitig die Ausgabenspirale beliebig aufdrehen."

Die solide Haushaltslage bietet den Parteien einer möglichen Jamaika-Koalition (Schwarz-Gelb-Grün, so wie die Farben der Flagge Jamaikas) durchaus Spielraum. Unionsexperten gehen von etwa 30 Milliarden Euro für vier Jahre aus. Die bisherigen Wünsche der Parteien sind aber in der Summe sehr viel teurer. Vor konkreten Festlegungen wollen die möglichen Partner die Steuerschätzung vom 7. bis 9. November abwarten.

Das Bundesfinanzministerium warnte davor, die zusätzlichen Haushaltsspielräume durch Privatisierungen zu überschätzen. Nach den Regeln der Schuldenbremse könnten solche Einmalerlöse nur sehr begrenzt für neue Ausgaben genutzt werden, denn sie würden in das strukturelle Defizit eingerechnet, zitierte das "Handelsblatt" Regierungskreise.

Im Bundestag hatten die Fraktionen von Union, FDP und Grünen am Nachmittag die schwarz-gelb-grüne Zusammenarbeit geprobt: Sie wählten den bisherigen CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble zum Bundestagspräsidenten. Zudem blockierten sie gemeinsam einen SPD-Vorstoß, bereits in der ersten Sitzung des neuen Parlaments die Regeln für die Regierungsbefragung zu verschärfen.