Vor einer Grundsatzrede der britischen Premierministerin Theresa May zum Brexit hat die EU den Druck auf London erhöht. Er halte eine rasche Einigung über den Rückzug Großbritanniens aus der Europäischen Union noch für möglich, sagte EU-Chefunterhändler Michel Barnier am Donnerstag in Rom. Dafür müsse London aber "ab nächster Woche" konkrete Vorschläge vorlegen.
Medienberichten zufolge könnte May ein Angebot im Streit um die Abschlussrechnung auf den Tisch legen. Die Rede ist von 20 Milliarden Euro. Das wäre allerdings deutlich weniger, als von der EU voraussichtlich gefordert wird. Experten rechnen mit 60 bis 100 Milliarden Euro, die London der Europäischen Union schuldet. Spekuliert wird, dass May ihr Angebot mit einer zweijährigen Übergangsfrist verknüpft, in der London weiter Zugang zum gemeinsamen Binnenmarkt hätte. 20 Milliarden Euro entsprechen ungefähr dem EU-Mitgliedsbeitrag des Landes für zwei Jahre.
Rechte der EU-Bürger
Barnier beklagte "große Unsicherheit" in allen Kernfragen der ersten Phase. Dabei beginnt am Montag die vierte Verhandlungsrunde zwischen Brüssel und London. Bisher treten die Verhandlungen auf der Stelle. Die EU will in den Gesprächen zunächst zentrale Trennungsfragen weitgehend klären. Dazu gehören die Rechte der 3,2 Millionen EU-Bürger in Großbritannien, die Finanzforderungen an London und der Status der britischen Provinz Nordirland. Großbritannien will dagegen baldmöglichst über ein künftiges Handelsabkommen verhandeln.
Am Freitag wollte die konservative Premierministerin, die in der eigenen Partei stark unter Druck steht, in Florenz eine mit Spannung erwartete Rede über den geplanten EU-Austritt ihres Landes halten. Außenminister Boris Johnson hatte am Wochenende in einem Alleingang mit einem Essay für einen harten Brexit geworben. Er werde der Rede der Regierungschefin sehr "aufmerksam und konstruktiv" zuhören, sagte Barnier am Donnerstag vor einem italienischen Parlamentsausschuss.
Eine knappe Mehrheit der Briten hatte im Juni 2016 für den Austritt aus der EU gestimmt. Ende März löste May den Scheidungsprozess offiziell mit dem Austrittsantrag aus. Gemäß Artikel 50 des EU-Vertrages läuft damit eine auf zwei Jahre festgesetzte Frist für die Gespräche. Der EU-Austritt würde dann Ende März 2019 erfolgen.