Seit zehn Jahren befinden sich die radikalislamische palästinensische Hamas und die säkulare Fatah im Bürgerkrieg. Laut einem Kommuniqué, das die Hamas Sonntagfrüh in Gaza veröffentlichte, soll der Zwist bald beigelegt sein. Darin erklärte sie knapp, dass sie einen Verwaltungsrat auflöse, den die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) als illegales Schattenkabinett betrachtet hatte. Ferner lud sie die „Einheitsregierung“ aus dem von der Fatah kontrollierten Westjordanland in den Landstrich ein, um „dort sofort ihre Aufgaben zu erfüllen“. Außerdem stimmten die Islamisten „allgemeinen Wahlen zu“.
Al Jazeera, der wohl wichtigste Satellitensender der arabischen Welt, sprach euphorisch von einem „großen Wandel“ in der Haltung der Hamas, deren blutiger Putsch 2007 die Palästinenser spaltete. Mahmud al-Alul, ein hoher Fatah-Funktionär, beteuerte, seine Bewegung sei „zur Aussöhnung bereit“.
Doch sonst glaubte fast niemand an eine Annäherung der Erzrivalen. „Das war ein schlauer politischer Schachzug der Hamas, um den Druck auf Palästinenserpräsident Mahmud Abbas zu erhöhen“, meinte eine Journalistin aus Gaza, die anonym bleiben will. In Gaza sei „niemand optimistisch, dass sich für uns etwas ändert“.
Blutiger Putsch
Der Zwist geht auf das Jahr 2006 zurück. Damals errang die Hamas in Parlamentswahlen die absolute Mehrheit. Sie nahm an den Wahlen trotz ihrer Weigerung teil, Grundprinzipien anzunehmen, auf denen die Autonomiebehörde beruht, wie die Anerkennung von Israels Existenzrecht oder die Bereitschaft, dem Terror abzuschwören und die Befreiungsorganisation PLO als alleinige Vertreterin der Palästinenser anzuerkennen. So kam es zum Bruch. Bei Kämpfen wurde die Fatah aus Gaza vertrieben, Hunderte kamen ums Leben. Seither werden Hamas-Anhänger im Westjordanland verfolgt, Mitglieder der Fatah in Gaza gejagt.
Wiederholt wurde versucht, den Graben zu überwinden: „Es gab neun Versöhnungsabkommen“, sagt Hamas-Experte Kobi Michael vom israelischen Institut für nationale Sicherheitsstudien. Keines wurde umgesetzt.
Diesmal ist eine Sache anders: Die Hamas befindet sich an einem historischen Tiefpunkt. Mitte März verkündete sie die Einrichtung eines „Verwaltungskomitees“ für Gaza. Dies begründete sie mit dem – teils berechtigten – Vorwurf, die Regierung in Ramallah investiere nicht genug in den Wiederaufbau des Landstrichs, der nach drei Waffengängen gegen Israel darniederliegt. Das wollte Palästinenserpräsident Abbas nicht hinnehmen. Er entließ Tausende Beamte der Autonomiebehörde in Gaza, stellte Zahlungen für Treibstofflieferungen aus Israel ein und verknappte die Elektrizität, bis es in Teilen Gazas nur noch zwei Stunden Strom am Tag gab. Genehmigungen für medizinische Behandlungen in Israel gab es nicht mehr, auch Arzneimittellieferungen wurden knapper. Die Grenzen des Landstrichs schlossen sich fast hermetisch.
Die Hamas ist völlig isoliert
Hinzu kommt, dass die Hamas international „so isoliert ist wie noch nie“, so Michael: „Nur noch die Türkei und Katar stehen zur Hamas, und die sind selbst im arabischen Raum isoliert.“ Die einst engen Beziehungen zum Iran sind fragil. Dafür übt Ägypten, das die außer Israel einzige Landgrenze Gazas kontrolliert, immer größeren Druck auf die Hamas aus.
Dem haben die Islamisten sich nun gebeugt. Ihr Kommuniqué, das den ägyptischen Geheimdienst in höchsten Tönen für seine Bemühungen lobt, die „Hoffnungen des palästinensischen Volkes zu erfüllen“, soll Kairo schmeicheln und Abbas in die Rolle des Spielverderbers drängen. Übernähme die Autonomiebehörde wieder die Verantwortung für Gaza, müsste sie den Wiederaufbau des Landstrichs bezahlen, den die Hamas in Kriegen mit Israel verwüstete. Zweitens fordert die Hamas Neuwahlen, wohlwissend, dass der unpopuläre Abbas das ablehnen wird. Drittens fordert sie die Umsetzung eines Versöhnungsabkommens von 2011, das ihre Beteiligung an der PLO, der mächtigsten Palästinenserorganisation, vorsieht.
„Alle wollen jetzt sehen, wie Abbas reagiert“, meint die Journalistin in Gaza. Im eigenen Volke würde es seinem Ansehen schaden, nähme er nicht zumindest einen Teil der Zahlungen an den notleidenden Landstrich wieder auf. In Ramallah sucht man bereits nach Beweisen dafür, dass die Hamas es mit der Aussöhnung nicht ernst meint. „Wir glauben niemand mehr“, sagt deshalb die Journalistin aus Gaza. „Die Hamas kontrolliert alles, und daran wird sich wohl auch in Zukunft nichts ändern. Dabei wollen wir hier doch nur eines: endlich normal leben.“
Gil Yaron