Die Extremistenmiliz Islamischer Staat hat den Anschlag in London für sich reklamiert. Über die ihr nahestehende Agentur Amaq erklärten die Islamisten am Freitag, die Explosion der Bombe in der U-Bahn gehe auf sie zurück. Der Sprengsatz war mitten im Berufsverkehr an der Station Parsons Green im Westen der britischen Hauptstadt detoniert.
29 Personen wurden verletzt, niemand davon schwer. Todesopfer waren nicht zu beklagen, auch weil die selbst gebastelte Bombe offenbar nicht richtig explodierte. Bei vier Anschlägen in diesem Jahr in Großbritannien kamen 36 Menschen ums Leben. Die Verletzten wurden am Freitag in verschiedenen Krankenhäusern behandelt, überwiegend wegen Verbrennungen. Acht von ihnen konnten bis zum Abend wieder entlassen werden. Wie Polizei und Rettungsdienste weiter berichteten, schwebte keiner der Verletzten in Lebensgefahr.
Terrorwarnstufe "kritisch"
Scotland Yard stufte den Vorfall als "terroristisch" ein. Premierministerin Theresa May sagte, hinter dem "feigen Angriff" stecke zerstörerische Absicht. Großbritannien hat Freitagabend die Terrorwarnstufe auf „kritisch“ erhöht. Das sagte Premierministerin Theresa May. Die Stufe „kritisch“ signalisiert, dass ein Anschlag unmittelbar bevorstehen kann. May sagte, es werde eine höhere Präsenz bewaffneter Polizeikräfte an öffentlichen Plätzen geben. Zudem werde das Militär die Polizei unterstützen
Der Sprengsatz detonierte am Freitagmorgen um 08.20 Uhr Ortszeit (09.20 Uhr MESZ), mitten im Berufsverkehr, wie der Chef der Anti-Terror-Abteilung der britischen Polizei, Mark Rowley, bekannt gab. Nach seinen Angaben war die Bombe selbst gebaut. Sie explodierte in der U-Bahn-Station Parsons Green im Südwesten Londons in einem Waggon. Nach Angaben des Senders Sky News wurde ein Verdächtiger durch die Auswertung von Überwachungsvideos identifiziert.
Regierungschefin May sagte nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts in einer Fernsehansprache: "Der Sprengsatz sollte enorme Schäden anrichten." Sie sprach von einem "feigen Angriff". Sky News berichtete unter Berufung auf die Polizei, die Bombe sei nicht vollständig detoniert, so dass Schlimmeres verhindert worden sei. May kündigte an, den oder die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. "Die Polizei tut alles, um die Täter zu identifizieren", sagte May am Freitagnachmittag der BBC. Sie appellierte an die Bevölkerung, sich möglichst normal ihrem Alltag zu widmen.
Nach dem Treffen des höchsten britischen Sicherheitskomitees, dem sogenannten Cobra, werde die Terrorwarnstufe vorerst nicht erhöht, sagte May. Die Lage wird dem Inlandsgeheimdienst MI5 zufolge derzeit als "ernst" ("severe") eingestuft, die zweithöchste von insgesamt fünf Terrorwarnstufen in Großbritannien.
Der Nationale Gesundheitsdienst teilte mit, 22 Menschen seien verletzt worden. Zunächst war von 18 Opfern die Rede gewesen. Der Londoner Bürgermeister Sadiq Kahn rief die Bürger zur Ruhe und Wachsamkeit auf.
An der Fahndung nach den Tätern beteiligte sich neben der Polizei auch der Inlandsgeheimdienst MI5. Angaben von US-Präsident Donald Trump, die Attentäter seien im Vorfeld "im Visier von Scotland Yard" gewesen, bestätigten die britischen Behörden nicht. Die Londoner Polizei sprach von einer "nicht hilfreichen Spekulation".
Augenzeugen berichteten, einige Passagiere seien mit schweren Verbrennungen und blutüberströmt aus der U-Bahn im bürgerlichen Wohnviertel Fulham gekommen. Eine Reporterin der Zeitung "Metro" sagte, ein weißer Behälter sei in dem Waggon explodiert. Passagiere hätten schwere Verbrennungen im Gesicht erlitten.
Auf Twitter veröffentlichte ein Nutzer Fotos von einem schwelendem weißen Eimer in einer U-Bahn, er schrieb von einem "Feuerball". Die BBC-Korrespondentin Riz Lateef, die sich in der U-Bahn befand, berichtete von Panik, als die Leute aus der Bahn gerannt seien.
Ein anderer Passagier namens Lucas sagte im Radiosender BBC 5 Live: "Ich habe eine richtig laute Explosion gehört." Er habe Menschen mit Verletzungen gesehen, "Verbrennungen im Gesicht, an den Armen, Beinen". Die 29-jährige Nicole Linnell sagte der Nachrichtenagentur PA, "etwa 30 bis 40 Leute" seien die Gleise entlang gerannt. "Es war total entsetzlich."
In der U-Bahn und um die Station herum waren bewaffnete Polizisten mit Spürhunden im Einsatz. Der U-Bahnhof und ein Teilabschnitt der U-Bahnlinie wurden gesperrt. Die Polizei kündigte für das Wochenende verschärfte Sicherheitsmaßnahmen für die Hauptstadt an.
In Großbritannien hatten Islamisten seit März vier Anschläge verübt, bei denen insgesamt 35 Menschen getötet und zahlreiche weitere verletzt wurden. Drei Attentate ereigneten sich in London, das vierte und schwerste in Manchester. Dort riss ein Selbstmordattentäter nach einem Pop-Konzert der US-Sängerin Ariana Grande im Mai 22 Menschen mit in den Tod.