Groß war der Diskussionsbedarf bei einer TV-Debatte der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Bürgern. Ein Abriss: Zwei Flüchtlinge unter den Studiogästen hielten der CDU-Chefin am Donnerstag im ZDF vor, ihnen drohe die Abschiebung. Ein Deutsch-Türke beklagte, Merkel gehe zu wenig gegen Rassismus vor. Ein Syrer nutzte die Sendung dagegen für eine Liebeserklärung.
Die wichtigsten Streitthemen:
AUSLÄNDER, FLÜCHTLINGE UND MIGRANTEN: Scharf wandte sich Merkel gegen Tabus und Generalisierungen in der Diskussion über Kriminalität von Migranten und Flüchtlingen. Eine Bürgerin hatte ihr vorgehalten, nach dem Zuzug von Flüchtlingen und Migranten gebe es hunderttausende alleinstehende Männer mit rückständigem Frauenbild im Land. Es gebe dramatisch gestiegene Zahlen von Vergewaltigungen durch Zuwanderer.
Merkel entgegnete: "Es darf, wenn es um Kriminalität geht, überhaupt gar keine Tabuthemen geben." Es gebe schlimme Einzelfälle, Straftäter müssten das Land verlassen. "Aber das, was Sie jetzt hier als das große demografische Problem herausstellen, das sehe ich nicht." Und: "Wir sollten damit nicht alle unter einen Generalverdacht stellen."
Ein syrischer Flüchtling, der nach eigenen Worten in Duisburg als Praxishelfer arbeitet, lobte Merkel dagegen überschwänglich: "Ich liebe Sie." Er fuhr fort: "Die Frau Merkel ist die Beste nach meinem Papa und Mama, weil sie mit Herz arbeitet."
Die Sendung zum Nachsehen:
AFGHANISTAN: Ein afghanischer Flüchtling beklagte, er und seine Landsleute würden kaum mehr als Asylbewerber anerkannt. Er sei vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) abgelehnt worden, obwohl er als Journalist in seinem Land verfolgt werde. "Das BAMF arbeitet so schlecht", das wisse er aus seiner Erfahrung als Übersetzer bei Asylverfahren. "Warum bekommen alle Afghanen eine Ablehnung. Diese Unsicherheit macht uns richtig fertig." Er fügte in verzweifeltem Ton hinzu: "Warum ist das so? Wo sollen wir hingehen?"
Merkel sagte, 50 Prozent der afghanischen Asylwerber würden akzeptiert. "Wir können ja nicht jedem das Zeichen geben: Du musst nur nach Deutschland kommen, da wirst du schon angenommen. Wir müssen das schon abwägen." Sie verwies aber auch darauf, dass derzeit nur verurteilte Straftäter nach Afghanistan abgeschoben würden.
RASSISMUS: Ein junger Deutsch-Türke aus Berlin fragte die Kanzlerin, warum sie nicht mehr gegen alltäglichen Rassismus in Deutschland tue. "Ich habe so viele Diskriminierungen in meinem Leben erfahren. Woran liegt das?" Statt sich des Problems anzunehmen, komme immer wieder "die deutsche Leitkultur zum Vorschein". Wenn die Union behaupte, "Multikulti" sei gescheitert, sei das Rassismus. Merkel versicherte: "Wo immer Sie rassistischen Vorurteilen begegnen, werden Sie mich an Ihrer Seite haben." Sie sei aber gegen "Multikulti", bei dem man nebeneinander her lebe ohne gemeinsame Grundlagen.
ALTERSARMUT: Merkel musste sich gegen schwere Vorwürfe wehren, sie tue zu wenig gegen Altersarmut. Als sie die Riester-Rente gegen Vorwürfe einer Krankenhaus-Reinigungskraft im Publikum verteidigte, hielt ihr eine weitere Frau vor, dies sei eine Unverschämtheit: "Das ist ein Witz, was sie erzählen." Die Reinigungskraft hatte zuvor gesagt, einen Riester-Vertrag zur Aufstockung ihrer Pension würde sie niemals abschließen: "Da ist nur Riester von reich geworden."
KLIMASCHUTZ: Merkel versicherte, Deutschland werde trotz großer Zweifel von Experten sein Klimaschutzziel bis 2020 schaffen. "Wir werden Wege finden, wie wir bis 2020 unser 40-Prozent-Ziel einhalten. Das verspreche ich Ihnen." Die Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, dass bis 2020 in Deutschland 40 Prozent weniger Treibhausgase ausgestoßen werden.
BÜRGERRECHTE: Ein junger Mann hielt Merkel vor, Deutschland sei auf dem Weg in einen Überwachungsstaat. Die Kanzlerin hielt entgegen, die Regierung müsse die richtige Balance zwischen Sicherheit und Bürgerrechten finden. Zugleich müssten aber auch die Voraussetzungen geschaffen werden, terroristischen Gefährdern das Handwerk zu legen.
WAHLKAMPF: Merkel versicherte, bei einem Unionssieg bei der Bundestagswahl die volle Legislaturperiode von vier Jahren Kanzlerin zu bleiben. Zugleich betonte sie: "Ich habe immer gesagt, dass ich der Meinung bin, der Parteivorsitz und das Amt der Bundeskanzlerin gehören zusammen." Auf die Frage, ob das Angebot ihres SPD-Herausforderers Martin Schulz, bei ihm Vizekanzlerin zu werden, etwas für sie sei, ging Merkel nicht ein. Sie schloss die Augen, nickte - und musste wie zahlreiche Zuschauer im Studio selbst lachen.
LASTER: Sie esse gar nicht so gerne Schokolade und komme deswegen nur auf ein Stück in der Woche, verriet Merkel. "Aber ich habe andere Laster. Ich esse dann eher ein Stück Salami." Auch die Hosenanzüge der Regierungschefin kamen zur Sprache: Ob sie die denn auch im Ruhestand noch tragen werde, wollte eine Frau von der Kanzlerin wissen. Sie werde dann wohl wie in ihrer Freizeit auch Jeans anziehen, sagte Merkel. "Aber auf jeden Fall wenig Röcke."