Eineinhalb Wochen vor der deutschen Bundestagswahl sucht der in Umfragen abgeschlagene SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz neue Chancen: Er will ein zweites TV-Duell mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) erzwingen. In der ZDF-Sendung "Klartext" sagte er am Dienstagabend, im bisher einzigen Fernsehduell mit Merkel am 3. September seien viele Punkte, die die Bürger bewegten, gar nicht angesprochen worden.

"Deshalb habe ich Frau Merkel heute einen Brief geschrieben und sie aufgefordert, ein nächstes Duell mit mir zu machen, damit all' diese Punkte auch diskutiert werden können."

Merkel lehnt die Forderung jedoch ab. "Angela Merkel hat gerne an einem TV-Duell teilgenommen", hieß es am Mittwoch aus der CDU-Zentrale in Berlin. "Dieses Format hat sich bewährt. Und dabei belässt sie es." Zu diesem Thema sei "alles gesagt", hieß es weiter.

Im ersten TV-Duell waren Themen wie die Digitalisierung, Pensionen, Bildung oder Pflege gar nicht oder nur kurz thematisiert worden. In dem Brief an Merkel, der der "Bild"-Zeitung und der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, schreibt Schulz, auch Merkel selbst habe ja die Themenauswahl beklagt. "Die Bürgerinnen und Bürger verdienen eine umfassende Debatte um die zentralen Zukunftsfragen unseres Landes. Aus diesem Grunde fordere ich ein zweites TV-Duell vor der Bundestagswahl. Ich bin jederzeit dazu bereit."

Die TV-Sender ARD, ZDF, RTL und SAT.1 hatten sich im Vorfeld mehr als ein Duell gewünscht. Merkel hatte dies abgelehnt. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sprang seinem Parteichef bei: "Ich finde, die Wählerinnen und Wähler haben ein Recht auf ein zweites TV-Duell, in dem die Alltagssorgen der Menschen im Mittelpunkt stehen", schrieb er bei Twitter.

Schulz als "Kümmerer"

Am Dienstagabend stellte sich Schulz in der ZDF-Sendung "Klartext" den Fragen von ausgewählten 150 Bürgern, die bei dem Live-Talk dabei waren. Den Anfang machte eine Hamburger Pensionistin, die Schulz damit konfrontierte, dass die Miete für die mit ihrem Mann bewohnte Wohnung nach einer Komplettsanierung von 230 Euro auf 850 Euro kalt im Monat ansteigen soll. Das sei unbezahlbar, sie stehe ohnmächtig davor. Warum habe die SPD so etwas mit der Mietpreisbremse nicht verhindert?

Schulz schüttelte den Eheleuten die Hand - und danach den Kopf. Rein gefühlsmäßig würde er sagen, eine Vervierfachung der Miete sei unzulässig und sittenwidrig. "Das ist hemmungslose Ausbeutung von armen Leuten, die da um ihre Wohnung und ihr Geld gebracht werden", schimpfte er. Auf den Einwurf von ZDF-Chefredakteur Peter Frey, im aktuellen Fall verlange eine städtische Wohnungsbaugesellschaft im SPD-regierten Hamburg solche Mondpreise, entgegnete der SPD-Chef, er werde die städtische Gesellschaft mal fragen, "ob die 'nen Knall haben".

Auch bei Müttern, die wegen ihrer Kinder Teilzeit arbeiten und später nur kleine Renten bekommen, sowie beim Pflege-Notstand versuchte Schulz, sich als Kümmerer zu präsentieren. Die Pflege alter Menschen müsse nach der Wahl zum Topthema werden. "Ich will, dass wir die Würde von alten Menschen an die Spitze der Prioritätenliste in der Politik in diesem Lande setzen", sagte er. In einem der reichsten Länder der Erde gebe es weder genügend Personal noch Geld für alte Menschen. "Wir haben milliardenschwere Überschüsse in den Haushalten - und keinen Platz für Demenzstationen. Das wird geändert." Nötig sei mehr Personal, bessere Bezahlung und die Möglichkeit, unbürokratisch aus Pflegekräfte aus dem Ausland zurückzugreifen.

Im Diesel-Skandal schilderte ein Lungenfacharzt aus Leverkusen eindringlich die Problematik der hohen Schadstoffbelastung für Menschen. "Meine Patienten in der Nähe der Autobahn, die sterben." Schulz sagte, Manager müssten zur Rechenschaft gezogen, die betroffenen Diesel-Motoren auf Kosten der Konzerne umgerüstet und optimiert werden. Den Diesel aber werde es "noch Jahrzehnte geben".

In der Flüchtlingskrise betonte Schulz, der Staat müsse bei kriminellen Flüchtlingen Härte zeigen. "Wer in dieses Land kommt und hier Schutz sucht und unter dem Deckmantel des Schutzes hier Gesetze bricht, der muss aus diesem Land raus. Der muss gehen." Anschließend kamen zwei junge Afghanen zu Wort, die in Deutschland arbeiten und eine Ausbildung machen, aber Angst vor einer Abschiebung an den Hindukusch haben.

Schulz erklärte, zur Zeit könne niemand nach Afghanistan abgeschoben werden. Das Auswärtige Amt überprüfe nach dem Anschlag auf die Deutsche Botschaft in Kabul die Einschätzung zur Sicherheitslage. Zur katastrophalen Situation in nordafrikanischen Flüchtlingslagern wie etwa in Libyen sagte Schulz, dort gebe es "KZ-ähnliche Zustände". Es sei aber richtig und notwendig, dass die EU mit der Küstenwache in Libyen zusammenarbeite, um kriminellen Banden der italienischen und libyschen Mafia das Handwerk zu legen.