Mit seinem sechsten Atomtest heizt Nordkorea den Konflikt um seine Waffenprogramme an. Können härtere Sanktionen oder ein Öl-Embargo etwas bewirken? In dem Konflikt gibt es nur schlechte Optionen.
Nach dem neuen Atomtest Nordkoreas erhöht die Welt den Druck. Sanktionen haben Pjöngjang aber schon in den vergangenen zwei Jahrzehnten nicht von Atomwaffen und Raketen abbringen können. Der Konflikt scheint weit weg von Berlin - aber die Auswirkungen eines Krieges würden auch die Deutschen treffen.
Ließe sich Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un ein überzeugendes Angebot machen?
Derzeit nicht. Mit den jüngsten Raketen- und Atomtests lässt Kim erkennen, in dem eskalierenden Konflikt nicht einlenken zu wollen. Er lehnt Verhandlungen über einen Verzicht auf die Atomwaffen ab. Sie dienen Pjöngjang als "Überlebensgarantie", weil sie das Land unangreifbar machen sollen. Allerdings sehen Beobachter Nordkorea nicht grundsätzlich Gesprächen abgeneigt. Nordkorea will aber mit den USA auf Augenhöhe reden, als Atommacht anerkannt, und forderte schon mehrfach einen Friedensvertrag und eine Aufhebung der Sanktionen.
Wann machen Verhandlungen einen Sinn?
Wenn Nordkorea auf seine Atomwaffen und Raketen verzichten würde, was es aber nicht will. Deswegen versprechen sich Diplomaten in Peking wenig davon. Die US-Regierung sieht auch keine Grundlage für einen Dialog. "Keine Gespräche nur um des Redens willen", ist das Credo Washingtons. Allerdings wächst auch der Druck auf die USA, Möglichkeiten für Verhandlungen auszuloten, um zumindest eine weiteren Eskalation zu verhindern. Dafür ließe die Strategie des "größtmöglichen Drucks und Engagements" auch Spielraum.
Was ist mit dem Vorschlag für ein "zweigleisiges Vorgehen"?
China schlägt vor, dass die USA und Südkorea ihre Militärmanöver aussetzen und Nordkorea im Gegenzug sein Atom- und Raketenprogramm aussetzt ("Dual Freeze"), um an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Die USA lehnen den Vorschlag ab, weil sie die Manöver für notwendig erachten - und vielleicht weil sie kein Entgegenkommen zeigen wollen. Auch zeigt Nordkorea keine Bereitschaft, darauf einzugehen. Fraglich wäre auch, wie das Einfrieren der Waffenprogramme überhaupt überprüft werden könnte. Diplomaten in Peking nehmen den Vorschlag nicht ernst.
Wenn es eskaliert: Wie würde ein Krieg aussehen?
Das käme darauf an, welche Waffen eingesetzt werden. Schon ein konventioneller Krieg hätte verheerende Folgen für die Bevölkerung auf beiden Seiten der Grenze. Ein Einsatz von Atombomben würde die koreanische Halbinsel in einen Trümmerhaufen verwandeln. Nordkorea drohte mehrfach mit einem atomaren Erstschlag, wenn es sich bedroht fühlen sollte. Die USA wollen sich und ihre Verbündeten mit der ganzen Bandbreite ihrer Waffen einschließlich nuklearer Waffen verteidigen. Ob Nordkorea bereits technisch so weit ist, Ziele in den USA mit Atomraketen zu treffen, wird von US-Militärs bezweifelt.
Was passiert, falls die USA einen Militärschlag unternehmen oder das Pulverfass versehentlich explodiert?
Ein begrenzter Militärschlag der USA würde kaum funktionieren, weil die Raketen- und Atomeinrichtungen verteilt und versteckt liegen. Wie auch bei einer ungewollten Eskalation dürfte Nordkorea sofort zum Gegenschlag ausholen. Nur 50 Kilometer südlich der Grenze leben rund 25 Millionen Menschen im Großraum Seoul. Auch ohne den Einsatz von Atomwaffen wären die Menschen in Gefahr, da sie von der grenznahen Artillerie unter Beschuss genommen werden können. Nordkorea könnte auch Japan mit Mittelstreckenraketen angreifen. Pjöngjang verfügt zudem über biologische und chemische Kampfstoffe, die im Kriegsfall zum Einsatz kommen könnten.
Was ist, wenn Nordkorea angreift?
Sollte Nordkorea den Nachbarn Südkorea, Japan oder US-Stützpunkte angreifen, würde nicht nur das modern bewaffnete Nachbarland im Süden, sondern auch die USA zurückschlagen. Es wird nicht erwartet, dass China seinem früheren Verbündeten Nordkorea zur Hilfe kommt. "Sollte die (nordkoreanische) Volksarmee eine groß angelegte Invasion unternehmen, würde das die Vernichtung der nordkoreanischen konventionellen Streitmacht und den Tod von Hunderttausenden von Soldaten der Volksarmee zur Folge haben", schreibt "The Diplomat", das sich auf den Asien-Pazifik-Raum spezialisiert. Allgemein wird erwartet, dass Südkorea und die USA obsiegen würden.
Gibt es seitens der USA überhaupt Vorbereitungen für einen Militärschlag oder Krieg?
Nein, überhaupt nicht. Es gibt keine Truppenbewegungen, und es wurden auch keine US-Bomber oder -Kriegsschiffe im Pazifik verlegt. Es gibt auch keinerlei Anzeichen dafür, dass die 150 000 US-Bürger in Südkorea in Sicherheit gebracht werden. Weder einen Militärschlag, geschweige denn einen Krieg, kann man über Nacht vom Zaun brechen. Bei aller hohen Truppenpräsenz in Ostasien ist Nordkorea dafür von den USA einfach zu weit entfernt.
Kann es sein, dass der zur Unberechenbarkeit neigende US-Präsident Donald Trump einfach losschlägt?
Nein, das ist äußerst unwahrscheinlich. Dafür ist das Risiko einer Eskalation mit Hunderttausenden oder sogar noch mehr Toten in einem Krieg viel zu hoch. Es wird wohl noch eine Zeit beim Krieg der Worte bleiben.
Was bewirken die Sanktionen?
Die Sanktionen halten Kim bisher nicht von der Entwicklung seiner Waffenprogramme ab. Auch werden sie nicht immer genau umgesetzt. Nordkorea fand bisher häufig Wege, Maßnahmen zu umgehen. Allerdings werden die Sanktionen immer härter, schränken auch den Handel mit China weiter ein. Ein von den USA angestrebtes Öl-Embargo wäre ein Schlag für die ohnehin marode Wirtschaft. Es würde aber das Militär weniger treffen, sondern vor allem die einfache Bevölkerung, warnt das Nautilus Institut in den USA. Den Ölhahn abzudrehen, würde die Nahrungsmittelknappheit in Nordkorea noch verschärfen, unter anderem weil die Düngemittelproduktion ausfallen würde.
Was passiert ohne eine Einigung im UN-Sicherheitsrat?
Das wäre ein Rückschlag, aber nicht das Ende. Alle Experten sagen, die Lösung des Konflikts sei weiter eine Art vierdimensionales Schach: ein Geflecht aus Diplomatie, verstärkter Abschreckung und Verteidigung vor Ort sowie härteren Sanktionen. Der Schlüssel für diese Krise mag in Washington liegen, umdrehen lässt er sich nur im hoch komplizierten internationalen Schulterschluss. Ein solcher Prozess wird Jahre dauern. Trump ist zu strategischer Geduld verdammt - wie seine Vorgänger.
Was geht der Konflikt die Deutschen an?
Pjöngjang mag von Berlin weit entfernt sein. Die Welt ist aber so verwoben, dass ein solcher Konflikt sofort auf die Weltwirtschaft durchschlagen kann - und damit auch auf Deutschland. Experten erwarten einen Schock, der je nach Ausmaß des Krieges eine globale Wirtschaftskrise auslösen könnte. Abstürzende Börsen und Währungen, rapide anziehende Preise für Benzin und Öl: All das gehörte zu den Folgen eines Krieges, der damit auch Deutschland betreffen würde. Beim Einsatz einer Atombombe wäre Deutschland von der Strahlung Tausende Kilometer entfernt nicht direkt berührt.
Was müsste Deutschland tun?
Zwar hat Kanzlerin Angela Merkel ihre Hilfe bei der Vermittlung angeboten, doch den Deutschen bleibt einstweilen nicht viel mehr als eine Zuschauerrolle. Sollte allerdings Nordkorea die USA oder deren Außengebiet Guam angreifen, stünde wegen des NATO-Vertrages sofort die Frage der Beistandspflicht im Raum. Deutschland wäre auch gefordert, wenn es zu einer Vernichtung beider Koreas, Kriegsschäden in Japan oder einer radioaktive Wolke käme, die über Nordostchina oder den Osten Russlands zieht. Die humanitäre Katastrophe oder ein folgender, teurer Wiederaufbau, der nach Schätzungen mehr als zehn Jahre dauern könnte, würden weltweite Anstrengungen erforderlich machen.