Mehrere EU-Außenminister haben sich vor einem informellen Treffen in Tallinn kritisch zur Türkei geäußert. Zu dem Treffen am Freitag ist auch der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu eingeladen.

"Für den Beitrittsprozess ist es unmöglich, weiterzugehen. Wir haben einen eingefrorenen Mechanismus. Und wir werden sehen, welche Konsequenzen das hat. Wir haben jetzt nicht die Möglichkeit, die Diskussion mit der Türkei fortzusetzen in so einer schwierigen Lage für Menschenrechte und Redefreiheit", sagte der belgische Chefdiplomat Didier Reynders.

Die schwedische Außenministerin Margot Wallström betonte, das Treffen sei eine gute Gelegenheit, um mit der Türkei zu reden. "Wir sind natürlich sehr kritisch. Wir haben viele Bürger, die festgehalten werden, aus politischen Gründen." Diese Fragen, und auch die Medienfreiheit in der Türkei seien wichtig.

Man will im Dialog bleiben

Dagegen erklärte Ungarns Außenminister Peter Szijjarto, es liege im Kern-Interesse der EU, eine strategische Partnerschaft mit der Türkei zu unterhalten. Die Türkei wolle unter den zehn führenden Wirtschaften weltweit sein. "Nicht zu vergessen die Tatsache, dass der EU-Türkei-(Flüchtlings-)Deal funktioniert hat. Es ist extrem wichtig, dieses vorhersehbares Verhältnis mit der Türkei basierend auf gegenseitigem Respekt zu erhalten."

Auch Irlands Außenminister Simon Coveney will den Dialog mit der Türkei offen halten und eine Perspektive einer EU-Mitgliedschaft der Türkei aufrecht erhalten, wie er sagte. "Aber die Dinge haben sich in der Türkei in den vergangenen Monaten offensichtlich geändert. Wir sollten nicht so tun, als ob nichts passiert wäre. Aber das heißt nicht, dass wir nicht entgegenkommen sollen und ein besseres Verhältnis anstreben sollen."

Zu Beginn der Sitzung diskutieren die EU-Außenminister über eine Verbesserung ihrer Arbeitsmethoden, um in internationalen Fragen besser zu Entscheidungen zu kommen. Dies gelte auch für das Auftreten der EU in internationalen Organisationen, wie der UNO, sagte der estnische Außenminister Sven Mikser.

Gabriel: "Man muss nicht weiterverhandeln"

Anschließend treffen die EU-Chefdiplomaten mit ihren Kollegen aus den EU-Kandidatenländern zusammen, um offiziell über Radikalisierung und Extremismus zu diskutieren. Dabei soll es nicht direkt um Erweiterungsfragen gehen, sagte Mikser. Nachher steht ein Mittagessen mit den Ministern der Ost-Partnerschaftsländer Ukraine, Moldau, Weißrussland, Armenien, Aserbaidschan und Georgien auf der Agenda. Es dient der Vorbereitung des EU-Ost-Gipfels mit diesen Ländern im November.

Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP), der an den Beratungen am Freitag nicht teilnahm, hatte bereits am Donnerstag einen Stopp der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei und einen Stopp der EU-Vorbeitrittshilfen im Umfang von 4,4 Milliarden Euro verlangt. Deutschland will nach Angaben von Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei nicht fortsetzen. "Das, was Präsident (Recep Tayyip) Erdogan macht, führt dazu, dass eine Mitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union unmöglich ist", sagte Gabriel. "Unter diesen Bedingungen muss man nicht weiterverhandeln."

Türkei "nicht wegstoßen"

Der britische Außenminister Boris Johnson hat davor gewarnt, die Türkei als Partner zu verlieren. Die EU sollte anerkennen, dass die Türkei durch sehr schwierige Zeiten gehe, sagte er vor seinen EU-Kollegen in Tallinn.

Alle europäischen Länder, darunter auch Großbritannien, hätten "Besorgnis" wegen Menschenrechten, Festnahmen, der Behandlung von Amnesty-International-Mitarbeitern und von Journalisten in der Türkei, sagte Johnson. "Aber es ist immer meine Ansicht, dass wir die Türkei nicht wegstoßen sollten." Die Türkei sei "ein strategisch wichtiges Land für uns alle".