Nach der Inhaftierung von zwei weiteren deutschen Staatsbürgern in der Türkei mehren sich in Deutschland die Forderungen nach Konsequenzen. Maßnahmen sollten "in den nächsten Tagen" geprüft werden, sagte SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz am Freitag in Berlin. Auch Politiker anderer Parteien drängten auf konkrete Reaktionen.
Der Hintergrund der beiden Festnahmen am Flughafen von Antalya war zunächst unklar. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts sagte aber in Berlin, es gehe um politische Vorwürfe. "Spiegel Online" berichtete ohne nähere Quellenangabe, offenbar handle es sich um zwei Deutsche mit türkischem Hintergrund, die angeblich Mitglieder der Gülen-Bewegung seien. Diese wird von der türkischen Regierung für den gescheiterten Militärputsch vom Juli vergangenen Jahres verantwortlich gemacht. Daran gibt es aber Zweifel.
Deniz Yücel seit 200 Tagen in Haft
Unterdessen erhöhte sich die Zahl der Hafttage für den in der Türkei festsitzenden deutschen Journalisten Deniz Yücel auf 200. Ebenfalls weiterhin inhaftiert sind unter anderem die Journalistin Mesale Tolu sowie der Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner. Tolu wurde Ende April festgenommen, Steudtner Anfang Juli. Nach Überzeugung der Bundesregierung sind sie unschuldig.
"Ich bin der Meinung, dass man keine Ausweitungsverhandlungen mit der Türkei mehr über die Zollunion führen kann, solange deutsche Staatsbürger dort festgehalten werden", sagte dazu Schulz. Die neuen Festnahmen nannte er einen "gravierenden Vorgang". Schulz sprach sich auch dafür aus, die sogenannten EU-Vorbeitrittshilfen für die Türkei auf den Prüfstand zu stellen und möglicherweise die Reisehinweise zu verschärfen.
Auch der außenpolitische Sprecher der Union im Bundestag, Jürgen Hardt, sieht nun den Zeitpunkt gekommen, eine Reisewarnung in Betracht zu ziehen. Auch er nannte die neuen Festnahmen in der "Welt" (Samstagsausgabe) "zutiefst besorgniserregend". Die Linken-Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen drängte unverzüglich auf "eine offizielle Reisewarnung für die Türkei" und kritisierte das bisherige "Zaudern" der Bundesregierung. Ebenfalls eine Reisewarnung forderte in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe FDP-Chef Christian Lindner.
Grünen-Spitzenkandidat Cem Özdemir sagte der "Bild"-Zeitung mit Blick auf die neuen Festnahmen: "Erdogan ist kein Präsident, sondern ein Geiselnehmer. Er tritt die Würde seines Amtes mit Füßen." Die Situation sei so ernst, "dass ich niemandem mehr mit gutem Gewissen sagen kann, dass man in der Türkei derzeit sicher ist", fügte Özdemir hinzu.
Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte kürzlich ebenfalls dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan vorgeworfen, die Deutschen als "Geiseln" festzuhalten, um Druck auf Berlin zu machen. Gabriel riet Deutschen zudem von Reisen in die Türkei ab, vermied aber eine offizielle Reisewarnung.
Zwölf Deutsche in Haft
Insgesamt sind laut Auswärtigem Amt derzeit zwölf Deutsche in der Türkei aus politischen Gründen in Haft. Die Bundesregierung erwarte von der Türkei, "dass die deutschen Staatsbürger, die aus nicht nachvollziehbaren Gründen inhaftiert sind, freigelassen werden", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Auch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), forderte deren Freilassung.
Einige Inhaftierte haben auch den türkischen Pass, nicht aber die neu Festgenommenen. Zu diesen gab es zunächst keinen direkten Kontakt, wie die Außenamts-Sprecherin sagte. Das Generalkonsulat in Izmir sei von nichtstaatlichen Stellen über die beiden Festnahmen informiert worden.