Sie kommunizierten ausschließlich offline und waren laut Experten sektenähnlich organisiert: Die spanische Polizei ist der islamistischen Terrorzelle von Ripoll deshalb lange Zeit nicht auf die Schliche gekommen. Auch die Explosion vergangene Woche in einem Haus in Alcanar, wo die späteren Attentäter offenbar Bomben bauen wollten, rief die Ermittler nicht sofort auf den Plan.

Erst nach den Anschlägen von Barcelona und Cambrils mit 15 Todesopfern und mehr als 120 Verletzten wurde das gesamte Ausmaß des Netzwerks bekannt. "Die Gruppe ist ein geschlossener Kreis, und es wird alles unternommen, damit nichts nach außen dringt", beschreibt die Direktorin des European Institute of the Mediterranean, Lurdes Vidal, die Vorgehensweise. Propaganda und Rekrutierungstaktiken seien ähnlich zu denen einer Sekte, erklärt sie.

"Es ist ein altes Modell, Menschen kennen sich und es gibt einen Guru, der ihre Entwicklung begleitet", sagt der ehemalige französische Geheimdienstmitarbeiter Alain Rodier. Eine zentrale Figur habe die orientierungslosen jungen Männer vereint und sie islamistisch ideologisiert - und diese Führungsfigur sei Imam Abdelbaki Es Satty gewesen. Er kam bei der wohl aus Versehen ausgelösten Explosion in Alcanar ums Leben.

Wie der Imam wohnten die meisten Mitglieder der Terrorzelle in der Kleinstadt Ripoll in Katalonien. Unter ihnen waren auch vier Brüderpaare. So konnte die Gruppe besonders verschwiegen agieren und sich der Loyalität untereinander sicher sein. "Man verrät nicht seinen Bruder", hebt Rodier hervor.

Gemeinsam mit anderen Experten ist sich Vidal zudem sicher: Es ist kein Zufall, dass die Attentäter so jung waren. Einer der Verdächtigen, Moussa Oukabir, war erst 17 Jahre alt - er wurde von der Polizei in Cambrils erschossen. In dieser Lebensphase seien junge Leute besonders beeinflussbar, ruft Vidal in Erinnerung. Die Religion sei das Mittel gewesen, um an die jungen Männer heranzukommen - über den Imam.

Ein ehemaliger Mitbewohner Es Sattys hatte den Imam als verschlossen bezeichnet: "Er hat wenig gesprochen, war oft mit seinem Computer in seinem Zimmer und hatte ein altes Mobiltelefon ohne Internet." Für Alberto Bueno, Mitglied des International Observatory of Studies on Terrorism, ist auch dies ein Muster: Die ganze Gruppe habe keine Handys benutzt und die sozialen Netzwerke gemieden - während Terrorfahnder weltweit das Internet nach potenziellen Attentätern durchforsten.

Dennoch: Der Imam war den Behörden bekannt. Eine Moschee in Diegem bei Brüssel hatte sich Ende 2016 geweigert, Es Satty anzustellen, weil er "zu extrem" war und zu stark der Gewalt in seinen Predigten zuneigte, wie der Bürgermeister der Stadt berichtete. Und in Spanien war der Imam zeitweise im Gefängnis, offenbar wegen Drogendelikten. Seine geplante Abschiebung im März 2015 stoppte ein Richter.

In der Zwischenzeit konnte die spanische Polizei auch das letzte Mitglied der Zelle identifizieren. Experten hätten mittels DNA-Proben auch die Identität der zweiten Leiche bestimmt, die in dem in Alcanar südlich von Barcelona explodierten Haus gefunden worden war, teilte die Polizei am Donnerstag auf Twitter mit. In dem Haus hatte die Gruppe die Attentate offenbar vorbereitet. Neben 120 Gasflaschen waren in dem Gebäude auch Leichenteile von zwei Menschen gefunden worden.