Im eskalierenden Konflikt zwischen Nordkorea und den USA ist die Pazifikinsel Guam in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt. Pjöngjang droht mit einem Militärschlag auf das US-Gebiet. Der Gouverneur beschwichtigt die Bewohner des kleinen Eilands. Doch die haben Angst.  Die gegenseitigen Drohungen Nordkoreas und der USA haben die Bewohner der kleinen Pazifikinsel in Alarmbereitschaft versetzt. Zwar hatte der Gouverneur des US-Gebiets, Eddie Baza Calvo, in einer Videobotschaft eine akute Bedrohung ausgeschlossen. Er versicherte jedoch zugleich, die Insel sei "auf alle Eventualitäten vorbereitet".

Die Insel ist ein militärischer Vorposten der USA im Pazifik, der strategisch seit Jahren immer stärker an Bedeutung gewinnt. Guam liegt - über Japan und Südkorea hinweg - etwa 3500 Kilometer von Nordkorea entfernt. Die Distanz zum Südchinesischen Meer, wo sich seit Jahren die Spannungen mit China erhöhen, ist etwa gleich groß. Bis nach Hawaii sind es dagegen rund 6000 Kilometer. Die 60 Kilometer lange und 20 Kilometer breite Insel gilt als Außengebiet der USA. Ihre Bewohner sind US-Bürger, dürfen sich aber nicht an der US-Präsidentenwahl beteiligen.

Die dort stationierten US-Soldaten sollen im Krisenfall den Verbündeten in Japan, Südkorea, den Philippinen und Taiwan zur Hilfe eilen, zugleich aber auch für die Weltwirtschaft wichtige Seehandelsrouten wie die Straße von Malakka schützen.

Als Vorposten ausgebaut

Bereits seit Beginn der Spannungen auf der koreanischen Halbinsel um das Jahr 2000 bauen die USA ihre Militärpräsenz in ihrem westlichsten Territorium aus. Berichten zufolge schickte die US-Luftwaffe damals B-2-Tarnkappenbomber auf die Insel, um für einen Konflikt mit Nordkorea gerüstet zu sein, und richtete Lager mit Präzisionsmunition ein. Die Marine verlegte zunächst drei, später vier atomgetriebene U-Boote nach Guam. 2004 wurden die ersten B-52-Bomber dort stationiert.

Zusätzliche Bedeutung erhielt die Insel 2012, als der damalige Präsident Barack Obama die verstärkte Fokussierung seines Landes auf den asiatisch-pazifischen Raum ankündigte - diplomatisch, militärisch und wirtschaftlich. Im gleichen Jahr vereinbarten die USA mit Japan die Verlegung von rund 5000 Marineinfanteristen von Okinawa nach Guam. Bis 2020 sollten 60 Prozent der Marineflotte im Pazifik sein, darunter sechs von elf Flugzeugträgern, erklärte die US-Regierung. 2013 gab das Pentagon wegen der Bedrohung durch Nordkorea die Stationierung des Raketenabwehrsystems Thaad auf Guam bekannt.

China, das sich als ein Ziel der Aufrüstung auf Guam sieht, beobachtet diese Entwicklung misstrauisch. Experten gehen davon aus, dass die Volksrepublik ihrerseits Raketen stationiert hat, die die US-Streitkräfte auf oder in der Nähe von Guam treffen könnten. Die chinesische Marine hat ihre Aktivitäten in den Gewässern verstärkt. Nordkorea wiederum drohte bereits 2013 mit der Auslöschung der B-52-Basis auf Guam, die in der Reichweite der nordkoreanischen Waffen liege. Als Reaktion kündigte das Pentagon damals die Thaad-Stationierung an.

Seit 1898 in US-Hand

Die USA übernahmen Guam, wo etwa 160.000 Menschen auf 545 Quadratkilometern leben, 1898 im Spanisch-Amerikanischen Krieg. 2014 waren auf der Insel rund 6000 US-Soldaten stationiert, 7000 Guamesen arbeiten für das US-Militär. Für die USA bietet es sich an, Guam als strategischen Vorposten aufzurüsten: Da es US-Territorium ist, muss die Regierung in Washington keine komplizierten Abkommen mit anderen Staaten aushandeln oder das Risiko eingehen, im Falle einer Krise oder eines politischen Kurswechsels die Stützpunkte zu verlieren. Abgesehen davon spricht die schiere Größe des Raums, für den das in Honolulu ansässige amerikanische Pazifik-Kommando zuständig ist, für die abgelegene Insel: In das Verantwortungsgebiet des Pazifik-Kommandos fallen fast 60 Prozent der Weltbevölkerung, mehr als 50 Prozent der Erdoberfläche und 16 Zeitzonen.

Biologische Katastrophe

Berühmt geworden ist Guam allerdings durch eine biologische Katastrophe, die vor 70 Jahren begann. An Bord von militärischen Transportflugzeugen gelangten einige Braune Nachtbaumnattern aus ihrem eigentlich Verbreitungsgebiet rund um Neuguinea auf die Pazifikinsel. Mangels natürlicher Feinde fraß sie sich durch die Tierwelt Guams und rottete zehn der zwölf einheimischen Vogelarten aus. Das löste eine ökologische Kettenreaktion aus. Ohne Feinde und Konkurrenten vermehrten sich die Spinnen auf der Insel explosionsartig. Zudem führte der Verlust der Vogelwelt und auch der dezimierten Flughunde dazu, dass Samen von fruchttragenden Bäumen nur noch wenig verbreitet wurden. Die Insel, die zu großen Teilen aus Regenwald bestand, macht bereits einen großen Wandel in der Pflanzenwelt durch. Auf Guam leben mittlerweile zwei Millionen Schlangen, also 5000 Exemplare pro Quadratkilometer.

Sportliches Kuriosum

Sportlich schrieb das Fußball-Nationalteam der Insel im Jahr 2005 Geschichte. Guam verlor mit 0:21 ausgerechnet gegen Nordkorea - es war die höchste Niederlage einer asiatischen Nationalmannschaft jemals. schon bei der WM-Qualifikation kassierte das Team in zwei Spielen 35 Gegentore ohne ein einziges selbst zu erzielen. Seit 1988 nimmt Guam allerdings als eigenständiges Team an den Olympischen Spielen teil.

Keine Nato-Beistandspflicht

Bei einem Angriff auf die Pazifikinsel wären die NATO-Staaten übrigens nicht verpflichtet, die USA militärisch zu unterstützen. Wie ein NATO-Sprecher bestätigte, gehört Guam nicht zu dem Gebiet, für das die Beistandspflicht im Nordatlantikvertrag festgeschrieben wurde. Demnach wäre es eine rein politische Entscheidung, ob die Alliierten bei einem Angriff gegen die etwa 2000 Kilometer östlich der Philippinen gelegene Insel den Bündnisfall nach Artikel 5 ausrufen. In Artikel 5 des Nordatlantikvertrag haben die Verbündeten festgelegt, "dass ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen (...) als ein Angriff gegen sie alle angesehen werden wird."

In Artikel 6 wird dann allerdings eine Gebietseinschränkung vorgenommen. Demnach gilt als bewaffneter Angriff im Sinne des Artikels 5 jeder bewaffnete Angriff auf das Gebiet eines der NATO-Staaten in Europa oder Nordamerika sowie auf das Gebiet der Türkei "oder auf die der Gebietshoheit einer der Parteien unterliegenden Inseln im nordatlantischen Gebiet nördlich des Wendekreises des Krebses." Da die Insel südlich des Wendekreises des Krebses - auch nördlicher Wendekreis genannt - liegt, ist sie in dieser Definition nicht miteingeschlossen. In NATO-Kreisen wird allerdings betont, dass es wenig wahrscheinlich ist, dass Bündnispartner unter Verweis auf diese Formulierungen den USA die Unterstützung verweigern.