Venezuelas Staatschef Nicolas Maduro hat seine wichtigste Gegenspielerin entmachtet: Die regierungstreue Verfassunggebende Versammlung setzte am Samstag die Generalstaatsanwältin Luisa Ortega ab und kündigte an, die Juristin vor Gericht zu stellen. Oppositionsführer Leopoldo Lopez wurde unterdessen aus dem Gefängnis entlassen und wieder in den Hausarrest überstellt.

Ortega nannte ihre Absetzung einen "Staatsstreich gegen die Verfassung". Sie werde ihren Kampf nicht aufgeben. Sie war unter den Amtsträgern in Venezuela die wichtigste Kontrahentin von Maduro, dem sie Verfassungsbruch vorwirft. Sie hatte vergeblich versucht, die auch international umstrittene Verfassunggebende Versammlung zu verhindern. Auch die Rechtmäßigkeit der von Manipulationsvorwürfen überschatteten Wahl zu der Versammlung wird von Ortegas Behörde angefochten.

Samstag früh marschierten Soldaten vor Ortegas Amtssitz in der Hauptstadt Caracas auf und verwehrten ihr den Zutritt zu ihrem Büro. "Dies ist eine Diktatur", sagte die Generalstaatsanwältin. Die 59-jährige Juristin musste bereits seit Wochen mit ihrer Absetzung rechnen, nachdem der Oberste Gerichtshof Venezuelas im Juni ein Verfahren gegen sie eingeleitet hatte. Am Samstag wurde Ortega schließlich von dem Gericht suspendiert.

Vor Gericht gestellt

Nur wenige Minuten nach der Entscheidung verfügte die Verfassunggebende Versammlung in ihrer ersten regulären Sitzung die Entlassung der Generalstaatsanwältin. Das Gremium kündigte zudem an, Ortega wegen "Unregelmäßigkeiten" in ihrer Amtszeit vor Gericht zu stellen. Sie darf das Land nicht verlassen. Als Interimsnachfolger wurde der bisherige Bürgerbeauftragte Tarek William Saab vereidigt.

Ortega sagte, sie akzeptiere das Votum der Verfassunggebenden Versammlung nicht und erkenne auch ihren Interimsnachfolger nicht an. Es handle sich um einen "Staatsstreich gegen die Verfassung". "Ich gebe nicht auf", kündigte die Juristin an. Auch Venezuela werden im Kampf gegen "Barbarei, Rechtsbruch, Hunger, Dunkelheit und Tod" nicht aufgeben.

Parlamentspräsident Julio Borges von der Opposition warf der Regierung vor, die Staatsorgane Venezuelas "vollständig in Geiselhaft genommen" zu haben. Dabei sei sie "undemokratisch" und "diktatorisch" vorgegangen.

Kritik aus den Nachbarländern

Auch Kolumbien, Chile, Guatemala, Mexiko, Peru und Kanada kritisierten Ortegas Absetzung. Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay schlossen Venezuela aus dem südamerikanischen Wirtschaftsblock Mercosur aus und forderten das Land zur "Wiederherstellung der Demokratie" auf.

Die 545 Mitglieder der Verfassungsversammlung beschlossen in ihrer ersten regulären Sitzung am Samstag außerdem, "bis zu zwei Jahre" zu amtieren. Die Versammlung soll die unter Maduros Vorgänger Hugo Chavez verabschiedete Verfassung von 1999 ändern. Als übergeordnetes Staatsorgan steht das Gremium über dem 2015 gewählten Parlament, in dem die Mitte-rechts-Opposition die Mehrheit hat.

Die Regierungsgegner werfen Maduro vor, mit der neuen Verfassung "diktatorische Vollmachten" an sich reißen zu wollen. Die Opposition hatte die Wahlen zu der Versammlung am 30. Juli boykottiert, weshalb das Gremium ausschließlich aus regierungstreuen Abgeordneten besteht.

USA verhängten Sanktionen

Auch die EU, die USA und eine Reihe lateinamerikanischer Länder kritisierten die Abstimmung. Washington verhängte am Dienstag als Reaktion auf die Abstimmung und auf die Festnahmen prominenter Oppositionspolitiker Sanktionen gegen Maduro.

Die Ehefrau von Oppositionsführer Lopez, Lilian Tintori, teilte im Onlinedienst Twitter mit, ihr Mann sei am Samstagabend nach Hause zurückgebracht worden. Lopez und der Oppositionspolitiker Antonio Ledezma waren am Dienstag festgenommen und wegen Fluchtgefahr in einem Militärgefängnis in Haft genommen worden. Ledezma, der Bürgermeister der Hauptstadt Caracas, war nach Angaben seiner Familie bereits am Freitag aus der Haft entlassen und wieder unter Hausarrest gestellt worden.

Das von einer schweren Wirtschaftskrise getroffene Venezuela wird seit Anfang April von politischen Unruhen erschüttert. Die Opposition kämpft für die Absetzung Maduros. Im Verlauf der gewaltsamen Auseinandersetzungen wurden bereits mindestens 125 Menschen getötet.

Der Heilige Stuhl äußerte kaut Kathpress "tiefe Besorgnis" über die Radikalisierung und die sich verschärfende Krise im Land. Papst Franziskus beobachte die Lage intensiv und rufe Christen in aller Welt zum Gebet für Venezuela und seine Bevölkerung auf.

Angesichts der steigenden Zahl von Toten, Verletzten und Festgenommenen appellierte der Vatikan an alle Seiten und besonders an die Sicherheitskräfte, keine Gewalt anzuwenden. Das könnte nun ein frommer Wunsch bleiben.