Russland bietet eine Vermittlung im Konflikt zwischen dem Golf-Emirat Katar und seinen Nachbarn an. Die größte Herausforderung sei der Kampf gegen den Terrorismus - deshalb bräuchten die arabischen Staaten Einigkeit, sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat im Golfkonflikt vor einer Isolierung Katars und des Iran gewarnt. "Wir wünschen uns, dass die Staaten des Golfkooperationsrates miteinander zusammenarbeiten."
Die Türkei schickt Truppen nach Katar - eine Vereinbarung die schon vor Ausbruch der Krise getroffen wurde. Saudi-Arabien müsse die "Brüder" am Golf wieder vereinen und die diplomatische Krise beilegen, so der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan.
Saudi-Arabien hat zurückhaltend auf die Aufforderung von US-Außenminister Rex Tillerson reagiert, ihre Blockade gegen Katar zu lockern. Zwar wurde der Aufruf am Samstag von der staatlichen Nachrichtenagentur SPA aufgegriffen. Allerdings fehlte Tillersons Aussage, die Isolation des Emirats habe negative humanitäre Folgen.
USA in Wackelposition
Tillerson hat die Golfstaaten zur Lockerung ihrer Blockade gegen Katar aufgerufen. Die Isolierung des Emirats durch Saudi-Arabien und andere arabische Staaten habe für die Menschen in Katar bereits negative Folgen, sagte er am Freitag vor Reportern. Auch der US-geführte Kampf gegen die Jihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) werde beeinträchtigt.
Er rückte damit von Äußerungen von Präsident Donald Trump ab, der vor einigen Tagen die Entscheidung der Golfstaaten begrüßt hatte. Trump warf Katar nun abermals vor, den Terrorismus zu finanzieren. In der Vergangenheit habe das Emirat dies "auf einem sehr hohen Niveau" getan, sagte er in Washington.
Mit Rückendeckung der USA hatten Saudi-Arabien, Bahrain, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Ägypten die Beziehungen zu Katar abgebrochen. Sie werfen dem kleinen Emirat die Unterstützung von Terroristen und seine angebliche politische Nähe zum Iran vor.
Wer hat welche Karten im Spiel?
Die beiden Pole des Dauerkonflikts im Nahen und Mittleren Osten sind Saudi-Arabien und der Iran, der Hintergrund ist ein Religionskrieg zwischen Sunniten und Schiiten, ein Konflikt um die Macht innerhalb des Islam, dessen Ziel es nicht ist, den Gegner zu bezwingen, sondern ihn zu vernichten.
Die Schiiten:
Das schiitische Regime in Teheran hat den schiitisch-sunnitischen Bürgerkrieg angezündet. Man stützte das schiitische Assad-Regime in Syrien, das in den Protesten im eigenen Land nie eine Bürgerrechtsbewegung sondern nur einen Aufstand der sunnitischen Mehrheit sah. Die Krieger des Assad sind versammelt in der schiitischen Hisbollah, der "Partei Gottes", verbunden mit der schiitischen Hisbollah im Libanon.
Israel, aber auch Kanada und die USA stufen die Hisbollah als Terrororganisation ein. Die Türkei und Russland, aber auch Katar fühlen sich Assad verbunden.
Die Opposition in Syrien kämpfte dagegen an, und der Druck des Regimes führte sie in die Arme des Islamischen Staates (IS), dem anderen Pol des Schreckens.
Wie im Irak
So wie zuvor schon im Irak: Die USA beendeten den sunnitischen Aufstand gegen die schiitisch beherrschte Regierung, indem sie gemäßigte Sunniten unterstützten. Die radikalen Sunniten wandten sich in ihrem Kampf gegen die Schiiten dem IS zu. Vom Irak aus bedrohen sie den Iran und die Türkei.
In Kurzform: Der Iran agiert seit Jahren als Speerspitze der Bemühungen, einen schiitischen Machtbereich von Teheran über Bagdad und Damskus bis nach Beirat zu schaffen. Das Werkzeug sind schiitische Milizen im Irak, im Libanon, im Jemen und in Syrien. Russland, die Türkei und auch Katar spielen mit.
Das finanzkräftige Katar unterstützt vor allem einen Dritten im Bunde der radikalen Kräfte, die Muslimbrüderschaft, den Erzfeind Ägyptens. Das tun zwar auch die Saudis mit dem Wahabismus, einer Organisation, deren fundamentalistische Auslegung des Islam sich mit den Positionen der Muslimbrüderschaft vergleichen lässt. Doch den Wahabismus haben die Saudis im Griff, das unabhängige Tun der Muslimbrüder, gestützt von Katar, wurde ihnen zunehmend suspekt.
Die Sunniten:
Saudi-Arabien fühlt sich als Schirmherr der Sunniten. Zum einen ist es Teil eines Bündnisses gemäßigter Sunniten, das US-Präsident Barack Obama gegen den IS zustande brachte. Verbündete: Ägypten, Bahrain, die Emirate. Zum anderen wurde den Saudis immer wieder unterstellt, auch terroristische Aktivitäten des IS zu fördern, die von radikalen Sunniten unterstützt wurden.
Dennoch gibt es einen von Israel mitgetragenen Masterplan, in den auch die USA ihre Hoffnungen setzen: Saudi-Arabien und Ägypten schmieden eine sunnitische Allianz, die den Einfluss des Iran zurückdrängt und den IS-Terror indirekt austrocknet.
Voraussetzung dafür - und damit auch für einen Frieden zwischen Israel und den Palästinensern - wäre, dass Katar die Unterstützung der Muslimbrüderschaft einstellt, denn die radikale Hamas im Gazastreifen ist ein Ableger von ihr. Das zu erreichen, könnte auch ein Motiv dafür gewesen sein, Katar zu isolieren und Sanktionen gegen das Emirat auszurufen.
Es gibt das Gerücht, die Aktion sei durch fake-news ausgelöst worden, die die Russen in Katar platzierten (und die belegen sollten, dass Katar terroristische Aktivitäten unterstützt), um die Saudis zu erregen, passt allerdings nicht dazu. Das Motiv dafür könnte darin liegen, dass die USA einen Luftwaffenstützpunkt in Katar unterhalten, den sie für den Kampf gegen den IS nützen, der aber den Russen ein Dorn im Auge ist. Mit der Eskalation wurde erfolgreich ein Keil zwischen Katar und die USA getrieben. Diese Erkenntnis wiederum könnte die USA zuletzt dazu gebracht haben, bei den Saudis für Nachsicht gegenüber Katar einzutreten.
Viele überlappende Fronten
Radikale auf beiden Seiten. Gemäßigte auf beiden Seiten, die USA auf beiden Seiten.
Im Fall der USA:
Will Washington im Irak, aus dem die US-Truppen vorzeitig abzogen, noch etwas erreichen, um dem IS etwas entgegenzusetzen, ist es auf die Hilfe Teherans angewiesen, das großen Einfluss auf die schiitische Regierung im Irak hat.
Gleichzeitig kooperieren die USA im Kampf gegen den Terror mit dem Erzfeind des Iran, Saudi-Arabien, das die gemäßigten Sunniten iin der Region - trotz des Verdachts, dass auch der Saudi-Arabien Terroristen unterstützt - als Gegengewicht zum Iran anerkennen.
Das macht den Konflikt so schwer durchschaubar, und es macht es so schwer, sich auf eine, die "richtige" Seite zu stellen. Von militärischen und wirtschaftlichen Partikularinteressen einmal ganz abgesehen, von denen wohl auch die jüngsten Freundschaftsbekundungen von Donald Trump gegenüber Saudi-Arabien geprägt waren.
Gewalt gegen Gewalt
Amnesty International machte am Samstag auf die schwerwiegenden Folgen der Blockade für tausende von Familien aufmerksam. Zu den "brutalen" Folgen zähle es, dass Eltern von ihren Kindern und Männer von ihren Frauen getrennt würden, heißt es in einer in London veröffentlichten Erklärung der Menschenrechtsorganisation. Dies verursache "seelische Leiden und Angst". In Katar leben demnach 11.000 Staatsangehörige aus Bahrain, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Was die muslimischen Kontrahenten im Nahen und Mittleren Osten eint: Gewalt wird mit Gewalt beantwortet. Seit Jahrzehnten sind Mord und Totschlag Teil des Alltags geworden. Der Westen als Ziel von Terroranschlägen ist dabei zum Teil nur Aufmarschgebiet, um die Position im jeweils eigenen Gebiet zu stärken.