Neue Vorwürfe gegen US-Donald Trump: In der Russland-Affäre soll er nach Medienberichten den damaligen FBI-Chef James Comey gebeten haben, die Ermittlungen gegen seinen tags zuvor zurückgetretenen Sicherheitsberater Michael Flynn zu stoppen. Flynn musste im Februar den Hut nehmen, weil er die Unwahrheit über Telefonate mit dem russischen Botschafter gesagt hatte. Das Weiße Haus dementierte.
Mit großem Bedacht nimmt Angus King, unabhängiger Senator von Maine, am Dienstagabend (Ortszeit) erstmals das Wort "Impeachment" in den Mund. Amtsenthebung. Eine vorzeitige Absetzung des Präsidenten durch den Kongress ist bekanntlich sehr schwierig. Bloße politische Gründe reichen dafür grundsätzlich nicht aus, er muss schwerwiegende Vergehen begangen haben. Für die Absetzung wird eine Zweidrittelmehrheit im Senat gebraucht ("impeachment").
Sollte Trump tatsächlich den FBI-Chef um eine Einstellung der Russland-Ermittlungen rund um Flynn gebeten haben, wie die "New York Times" und später andere Medien berichten, hätte der Präsident ganz klaren Rechtsbruch begangen, den Versuch der Behinderung der Justiz. Damit könnte es eng für ihn werden.
"Ich hoffe, Sie können das sein lassen"
Trump soll Comey zur Einstellung der Ermittlungen gegen Flynn gebeten haben, als sich die beiden Mitte Februar im Weißen Haus trafen, wie die "New York Times" berichtete. "Er ist ein guter Kerl. Ich hoffe, Sie können das sein lassen", soll Trump gesagt haben. Comey habe nur geantwortet: "Ich stimme zu, dass er ein guter Kerl ist."
Einen Tag zuvor war Flynn nach nur dreieinhalb Wochen im Amt zurückgetreten, weil er falsche Angaben über seine Telefonate mit dem russischen Botschafter Sergej Kisljak vor Amtsantritt der neuen US-Regierung gemacht hatte. Comey leitete als FBI-Chef eine von mehreren Ermittlungen zu mutmaßlicher Einflussnahme Russlands auf die Präsidentenwahl zugunsten von Trump.
"Behinderung der Justiz"
Comey sei so "entsetzt" über diese Aufforderung gewesen, dass er den Inhalt des Gesprächs in einem Memo festgehalten habe, berichtete der Fernsehsender CNN. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, könnte Trump sich der Behinderung der Justiz schuldig gemacht haben. Es wäre die bisher größte Bedrohung seiner Präsidentschaft.
Das Weiße Haus widersprach den Berichten jedoch unmittelbar. Der Präsident habe wiederholt erklärt, dass Flynn ein "anständiger Mann" sei, sagte ein Regierungsvertreter am Dienstag; doch habe er niemals Comey darum gebeten, "irgendwelche Ermittlungen, eingeschlossen die Ermittlungen gegen General Flynn, einzustellen". Es handle sich um keine akkurate Wiedergabe einer Unterredung zwischen Trump und Comey.
Der Präsident habe den "größten Respekt für unsere Strafverfolgungsbehörden und alle Ermittlungen", wurde der anonyme Regierungsvertreter weiter zitiert. Wie das Weiße Haus ankündigte, will sich Trump am Donnerstag bei einer Pressekonferenz den Fragen von Journalisten stellen.
Die "New York Times" gab an, die Notiz liege ihr selbst nicht vor. Sie habe auch keine direkte Einsicht gehabt. Als Quelle gab sie zwei Personen an, die Kenntnis davon hätten. Eine davon habe Textpassagen vorgelesen. Ein Vertrauter Comeys, der das Gedächtnisprotokoll gelesen hat, sagte der Nachrichtenagentur Reuters, die Zeitung habe den Inhalt korrekt wiedergegeben.
Geheimnisverrat an die Russen?
Zuvor war in Medien der potenziell hochexplosive Vorwurf laut geworden, Trump habe streng geheime Informationen zum Kampf gegen die Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) an den russischen Außenminister Sergej Lawrow weitergegeben. Die Erkenntnisse sollen von einer befreundeten Regierung gestammt haben, die deren Weitergabe an Russland nicht genehmigt habe, wie die "Washington Post" berichtete.
Laut der "New York Times" sollen die Informationen von Israel stammen; Israel habe eigens darauf gedrungen, sorgsam mit den Angaben umzugehen, berichtete das Blatt.
Trump selbst bestritt jegliches Fehlverhalten. Als Präsident habe er das "absolute Recht", Informationen mit Russland zu teilen, schrieb der Präsident im Kurzbotschaftendienst Twitter. Er ließ offen, ob die von ihm bei seinem Treffen mit Lawrow vergangene Woche weitergereichten Informationen als geheim eingestuft waren.
Der Chef der oppositionellen Demokraten im Senat, Chuck Schumer, erklärte, die Vereinigten Staaten würden derzeit "auf beispiellose Art" geprüft. "Die Geschichte schaut auf uns", mahnte er an seine Kollegen gewandt.
Sein Parteifreund Dick Durbin zeigte sich fassungslos. Es sei "atemberaubend" zu denken, dass ein US-Präsident erwogen haben könnte, den FBI-Chef um die Einstellung von Ermittlungen gegen jemanden zu stoppen. "Dies ist einer der schwerwiegendsten Vorwürfe, den man einem Führer machen kann - dass er irgendwie versucht, den Gang der Justiz zu verzögern oder zu behindern."
Stellungnahme gefordert
Zahlreiche Demokraten äußerten die Hoffnung, dass Comey nun zu einer öffentlichen Aussage in den Kongress vorgeladen werde, um zu Existenz und Inhalt des fraglichen Memos Stellung zu nehmen. Einer solchen Vorladung müssten aber auch ausreichend viele Republikaner zustimmen. Sie haben in beiden Kammern des Kongresses die Mehrheit. Auch ein republikanischer Ausschussvorsitzhender verlangte indes bereits Einsicht in die Dokumente. Comey will aussagen, aber nur im Wege einer öffentlichen Anhörung.
In der vergangenen Woche hatte Trump völlig überraschend FBI-Chef Comey entlassen - eine Entscheidung, die er mit einigen Tagen Verzögerung selbst in Zusammenhang mit den Russland-Ermittlungen brachte. Das FBI untersucht die mutmaßlichen russischen Hackerangriffe während des US-Wahlkampfs auf das Umfeld der Trump-Rivalin Hillary Clinton sowie die möglichen illegalen Kontakte von Trump-Mitarbeitern nach Moskau. Kritiker äußerten den Verdacht, Trump seien die FBI-Ermittlungen zu heiß geworden. Trump hat wie die Regierung in Moskau alle Vorwürfe zurückgewiesen. Am Freitag drohte er Comey mit der Veröffentlichung von Gesprächsmitschnitten.