In Ostafrika hungern Millionen Menschen. In Somalia droht sogar eine Hungersnot. Das will die internationale Gemeinschaft unbedingt verhindern. Bei der Somalia-Konferenz in London sagt unter anderem Deutschland zu, seine Hilfe für das Land aufzustocken.
Es ist fast ein Deja-vu. Wieder sind in Somalia Millionen Menschen von einer Dürre betroffen, Hunderttausende sind auf der Suche nach Wasser und Essbarem aus ihren Heimatdörfern geflohen. Wieder steht der Krisenstaat am Horn von Afrika kurz vor einer Hungersnot. Erst 2011 verloren mehr als 250.000 Menschen bei einer Hungersnot in Somalia ihr Leben, vor allem Kinder. "Die Geschichte droht sich nun tragischerweise zu wiederholen", warnt die Denkfabrik International Crisis Group (ICG).
Das will die internationale Gemeinschaft unbedingt verhindern. Bei der Somalia-Konferenz am Donnerstag in London sagten Vertreter von Regierungen und Internationalen Organisationen hunderte Millionen Euro an Hilfsgeldern zu. Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) versprach, die deutsche Unterstützung von 70 auf etwa 140 Millionen Euro für dieses Jahr zu verdoppeln. Erst Anfang Mai hatte er das Land als erster deutscher Außenminister besucht und sich ein Bild über die Zustände gemacht. Die Europäische Union kündigte zusätzliche Hilfsgelder in Höhe von 200 Millionen Euro an.
"Die Dürre ist verheerend - viel schlimmer als 2011", sagt der Leiter der britischen Hilfsorganisation Oxfam in Ostafrika, Nigel Tricks. Seit 2015 ist der Regen weitgehend ausgeblieben. Ernten sind ausgefallen, Nutztiere wie Schafe, Kühe und sogar widerstandsfähige Ziegen sind verendet. "Inzwischen sind auch die Kamele betroffen", sagt Tricks. Anders als vor sechs Jahren herrscht die Notlage nicht nur in Teilen des Landes, sondern fast überall.
"Wir brauchen Investitionen, die den Fortschritt aufrechterhalten, während wir schnellstens die wachsende Nahrungsmittelunsicherheit, die Millionen von Somaliern betrifft, bekämpfen müssen", sagte UN-Generalsekretär Antonio Guterres.
Zumindest hätte die internationale Gemeinschaft aus der letzten Hungersnot gelernt, meint Oxfam-Regionaldirektor Tricks. "Dieses Mal ist die Dürre schlimmer, aber die Reaktion besser." Demnach kam die Hilfe bei dieser Krise viel früher in die Gänge, auch weil die Regierung in Mogadischu früher die Alarmglocken geläutet hat.
Trotzdem steht das Land Experten zufolge am Rande einer Hungersnot. Rund 6,7 Millionen Somalier - etwa die Hälfte der Bevölkerung - brauchen nach UN-Angaben Hilfe, etwa 2,9 Millionen Menschen sind auf die Verteilung von Nahrungsmitteln angewiesen. Für Kinder, deren Immunsystem schwächer ist, sind die Auswirkungen besonders verheerend. Das UN-Kinderhilfswerk rechnet in diesem Jahr mit 1,4 Millionen akut mangelernährten Kindern.
Doch eine Dürre allein macht noch keine Hungerkatastrophe. Somalia gilt als "failed state", als gescheiterter Staat. Seit mehr als 25 Jahren ist das Land von Gewalt und politischer Instabilität gebeutelt, bereits 1992 und 2011 gab es zwei verheerende Hungersnöte. Die international anerkannte Regierung hat außerhalb von Mogadischu wenig Kontrolle, die islamistische Terrororganisation Al-Shabaab treibt in weiten Teilen des Landes ihr Unwesen. Zudem kommt es immer wieder zu Spannungen zwischen unterschiedlichen Clans und Milizen. Trotz einer zum Großteil von der EU finanzierten und rund 20.000 Mann starken Friedenstruppe der Afrikanischen Union sind Frieden und Stabilität nicht in Sicht.
Der Konflikt befeuert die Hungerkrise. "Das größte Problem für Hilfsorganisationen ist, dass der Konflikt und die Instabilität den Zugang zu den bedürftigen Menschen erschwert", sagt Tricks. Al-Shabaab ist ICG zufolge vor allem im Süden militärisch aktiv. Immer wieder halte die Terrormiliz die Menschen als Geiseln, indem sie zum Beispiel Transport und Verteilung von Hilfsgütern blockiere.
Bisher konnten Helfer eine Hungersnot noch verhindern. Nun hänge alles davon ab, dass das Geld weiter fließe, so Tricks. Die humanitäre Hilfe müsse mindestens bis Ende des Jahres sichergestellt werden. Das war auch ein wichtiges Thema der Konferenz in London. Doch allen Beteiligten ist eines klar: Die Krise in Somalia kann nur nachhaltig gelöst werden, wenn die Regierung für Frieden und Stabilität sorgen kann.
Die Konferenz in London setzte sich daher auch zum Ziel, politische Reformen zu unterstützen, Sicherheitsstrukturen zu stärken und die Wirtschaft zu fördern. Es ist keine leichte Agenda. Aber nur eine stärkere Regierung könne Naturkatastrophen oder Klimaschocks aus eigener Kraft bewältigen, meint Tricks. Denn: "Dürren, da bin ich mir sicher, werden immer wieder kommen."
Gioia Forster