Dass es in einer offenen Demokratie ein Überwachungssystem wie das Federal Bureau of Investigation geben kann, ist für den Geheimdienstexperten Tim Weiner beängstigend genug.
Denn beim FBI würden die Bürgerrechte gebeugt und das Recht im Namen der nationalen Sicherheit gebrochen. Der Pulitzer-Preisträger und Autor des Buchs „FBI“ hat in der „New York Times“ in einem Gastbeitrag beschrieben, warum sich FBI-Chef James Comey in der E-Mail-Affäre kurz vor der Wahl als Clinton-Feind hervorgetan hat: Es habe mit dem langen Schatten des J. Edgar Hoover zu tun. Der legendäre wie gefürchtete FBI-Chef hatte alle in der Hand, denn er war der Mann, der zu viel wusste. Die US-Präsidenten kamen und gingen, Hoover blieb.
Dass James Comey so massiv in den Wahlkampf eingegriffen hat, obwohl er Clinton offenbar nur vorwerfen konnte, „extrem unvorsichtig“ mit ihren Mails umgegangen zu sein, erschüttert Weiner. Denn just der fünffache Familienvater war es, der im März 2004 Rückgrat bewiesen hatte.
Comey war damals Stellvertreter des US-Justizministers und saß am Krankenbett seines Chefs John Ashcroft, denn er hatte einen Tipp bekommen: Emissäre von US-Präsident George W. Bush wollten Ashcroft auf der Intensivstation bedrängen, eine Unterschrift zu leisten, damit die Behörden weiterhin ohne richterlichen Beschluss Telefone und Internet überwachen könnten.
Ashcroft übergab die Geschäfte seinem Stellvertreter Comey, einem erklärten Gegner der seit 9/11 praktizierten Lauschangriffe. Bushs Leute zogen ab, neun Jahre später war der Republikaner nicht zuletzt aus dem Grund, Recht vor Politik zu stellen, Obamas Wunschkandidat auf dem Chefsessel des FBI. Doch James Comey ist ins Fadenkreuz der Politik geraten.
Manuela Swoboda