Das saudische Königreich lockert offenbar die starke Beschränkung von Frauenrechten. Wie in der saudischen Stadt Dschidda erscheinende Zeitung "Okaz" sowie die englischsprachige Zeitung "Arab News" in ihren Freitagsausgaben berichten, hat König Salman ein Dekret erlassen, nach dem Frauen in vielen Fragen des Alltags nicht mehr länger die Zustimmung eines männlichen Vormunds benötigen. Dies betreffe alle Anliegen, solange diese eine "legale Basis in Übereinstimmung mit den Vorschriften der islamischen Scharia" hätten, schreiben die Zeitungen unter Berufung auf das köngliche Dekret, das an alle Ministerien und anderen Regierungseinrichtungen ergangen sei. Damit wolle man Abläufe vereinfachen, sagt der Präsident der saudischen Menschenrechtskommission Bandar bin Mohammed Al-Aiban.

Damit reagiert das Königshaus in Riad offenbar auf massive Kritik aus dem Ausland, nachdem die Saudis seit Anfang 2014 im UN-Menschenrechtsrat sitzen, zum Jahresanfang 2017 für eine weitere dreijährige Amtszeit in das 47-köpfige UN-Gremium wiedergewählt wurden, selbst aber elementare Menschenrechte missachten. Am 19. April wurde Saudi-Arabien zudem von den Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen in die UN-Kommission zur Stellung der Frau gewählt, die Gleichberechtigung der Geschlechter und die Stärkung der Frauen fördern soll. Der saudische Schriftsteller und Menschenrechtsanwalt Abdullah Al-Alami sagte "Arab News", die neue Order sei noch nicht ganz klar definiert und lasse offen, wann eine Frau weiterhin das Einverständnis ihres männlichen Vormunds benötige. Al-Alami glaube aber, dass das neue Gesetz eingeführt worden sei, um die Menschenrechtskommission zufriedenzustellen und die internationalen Verpflichtungen zu erfüllen, die das Königreich eingegangen sind.

Mit dem Dekret reagiert der absolutistische König aber auch auf die Bedürfnisse im eigenen Land - vor allem die wirtschaftlichen. Immer mehr Frauen führen in Saudi-Arabien kleine und mittelständische Unternehmen. Saudische Unternehmerinnen beklagten schon beim vorigen Besuch einer österreichischen Delegation mit Journalisten in der österreichschen Botschaft, sie würden ein Unternehmen, ihre Mitarbeiter und damit das Wohl zahlreicher Familien beeinflussen und Verantworten, aber nicht einmal mit dem Auto zum Flughafen fahren oder selbstständig eine Reise antreten ohne Zustimmung ihres Vormunds. Dieser könne sogar im Fall aller Fälle ihr volljähriger kleinere Neffe sein, was die Situation vollkommen absurd mache. Diese wirtschaftliche Behinderung wollte der König offenbar beseitigen. Das Ziel der Regierung ist es - auch ökonomisch motiviert - den Frauenanteil bei der Arbeitswelt von derzeit 22 auf 30 Prozent im Jahr 2030 zu erhöhen. Dies lässt sich nur mit einer Lockerung der Arbeitsbedingungen und Bewegungsfreiheit für Frauen erreichen.

Auffallend ist der Zeitpunkt des Erlasses. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel war vor einer Woche in Saudi-Arabien, hatte dort die Situation der Menschenrechte angesprochen, sich aber auch mit Unternehmerinnen in Dschidda getroffen und über deren Lage gesprochen. Die Frauen hätten ihr gesagt, wann und wo sie eigenständig handeln dürften. "Es gibt aber auch immer wieder Restriktionen, dass ist überhaupt keine Frage", sagte Merkel bei der Reise. Sie betonte auch, dass sich in den sieben Jahren seit ihrem letzten Besuch einiges in Sachen Gleichberechtigung bewegt hätte.

Bereits im Jahr 2011 hatte der kurz darauf verstorbenen König Abdullah das Frauenwahlrecht ausgeweitet. Im Jahr 2013 wurden erstmals 30  Frauen Mitglied in der Beratenden Versammlung. Bei der Wahl 2015 durften Frauen erstmals wählen und auch gewählt werden. Ebenfalls 2015 wurden drei Frauen in den Vorstand der saudischen Börse berufen.

*In einer früheren Version stand, dass Angela Merkel in saudischen Medien verpixelt wurde. Dabei handelte es sich allerdings um eine Aktion einer saudischen Satireseite, die mittlerweile enttarnt ist.