Die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat eine schonungslose Aufklärung der jüngsten Skandale bei der deutschen Bundeswehr angekündigt. Es müsse ein Blick darauf geworfen werden, wo Führung und Verantwortung versagt hätten und warum, sagte von der Leyen am Dienstagabend in Berlin. "Das wird noch ein anstrengender Prozess werden, da wird noch einiges hochgespült werden."
Es sei unter dem Strich auf lange Sicht aber das Beste für die deutsche Bundeswehr, wenn Transparenz geschaffen werde. Von der Leyen sagte, die übergroße Mehrheit der Soldaten verrichte einen "tadellosen und hervorragenden Dienst". In Bezug auf den unter Terrorverdacht verhafteten Oberleutnant Franco A., aber auch auf bekannt gewordene Fälle von Schikane und sexueller Entwürdigung bei der deutschen Bundeswehr sagte die Ministerin, es gebe eine "kleine Minderheit", die sich gegen die Prinzipien der inneren Führung verhalte und wo genauer hingeschaut werden müsse. "Diese Diskussion müssen wir führen."
Beim Soldaten A. etwa müsse gefragt werden, wie es habe passieren können, dass eine von ihm verfasste Masterarbeit, die klar völkisches Gedankengut enthalte, unter den Tisch gekehrt und es vermieden worden sei, sie in die Personalakte zu nehmen. "Man hätte früher die Alarmglocken hören müssen, so dass er nicht mehr hätte Karriere machen können bei der Bundeswehr", sagte von der Leyen.
Die Ministerin betonte, es gehe beim Aufarbeitungsprozess darum, was in der inneren Führung gehe und was nicht. Die Themen wolle sie in den nächsten Tagen mit Generälen und Admiralen der deutschen Bundeswehr beraten, sie würden sie "monatelang noch in Atem halten".
Von der Leyen äußerte sich auch selbstkritisch. Sie trage letztlich die Gesamtverantwortung, und die nehme sie auch an. Zu den beschriebenen Fällen sagte sie: "Vielleicht hätte ich früher tiefer graben müssen, aber dafür muss man auch wissen, was vor Ort vor sich geht."
Franco A. hatte sich monatelang als syrischer Flüchtling ausgegeben und plante offenbar einen Anschlag. Franko A. war aufgeflogen, als er eine am Flughafen Wien in einem Putzschacht einer Toilette versteckte scharfe Pistole wieder holen wollte. Die österreichischen Behörden nahmen Franco A. nicht fest, informierten aber ihre deutschen Kollegen. Inzwischen hat die deutsche Bundesanwaltschaft die Ermittlungen übernommen. Berichten zufolge gibt es Hinweise auf ein rechtsextremistisches Netzwerk in der Truppe. Nach Medienberichten wird am Standort Illkirch in Frankreich, wo Franco A. zuletzt stationiert war, auch wegen Munitionsdiebstahls sowie wegen eines eingeritzten Hakenkreuzes ermittelt.
Von der Leyen sagte ihre geplante USA-Reise ab. "Für die Ministerin steht die Aufklärung der aktuellen Vorgänge um den Oberleutnant A. aus Illkirch im Vordergrund", hieß es aus dem Ministerium.