Mit dem offiziellen Austrittsantrag hat Großbritannien den Weg in den Brexit beschritten. Der britische EU-Botschafter Tim Barrow übergab am Mittwoch in Brüssel das Gesuch seiner Regierung und setzte damit einen zweijährigen Verhandlungsprozess in Gang, an dessen Ende Großbritannien als erster Mitgliedstaat die Europäische Union verlassen wird.
Das Europaparlament legte "rote Haltelinien" für die anstehenden Brexit-Verhandlungen mit London fest. "Dies ist ein historischer Moment, von dem es kein Zurück mehr gibt", sagte die britische Premierministerin Theresa May. Auch die EU-Kommission erklärte, nach dem Brexit-Antrag gebe es "kein Zurück mehr". London könne ihn "nicht einseitig widerrufen". Mit Großbritannien verliert die EU eines ihrer wichtigsten und wirtschaftsstärksten Mitglieder.
Mit dem Brexit-Schreiben löste die britische Regierung neun Monate nach dem Brexit-Referendum das Austrittsverfahren nach Artikel 50 EU-Vertrag aus. Dadurch werden auf zwei Jahre angelegte Verhandlungen zwischen beiden Seiten über den Austritt gestartet. Am 29. März 2019 würde die britische EU-Mitgliedschaft enden. Es bliebe eine EU mit 27 Mitgliedstaaten und gut 60 Millionen Bürgern weniger.
Vizekanzler Reinhold Mitterlehner gab im heutigen Ö1-Morgenjournal zum Austrittsgesuch der Briten unumwunden zu, dass in der EU große Betroffenheit herrsche. Dennoch gibt er sich gelassen, was die Verhandlungen betrifft und setzt auf ein professionelles Vorgehen beider Seiten, eine "Rosinenpicken" für die Briten solle es jedoch nicht geben.
Bedauern über Brexit
"Wir vermissen Euch bereits", sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk, nachdem er den sechsseitigen Austrittsbrief erhalten hatte. "Es gibt keinen Grund so zu tun, als ob dies ein glücklicher Tag ist - weder in Brüssel noch in London."
In einer gemeinsamen Erklärung äußerten die übrigen 27 EU-Staaten ihr Bedauern über Großbritanniens Schritt. In den nun anstehenden Brexit-Verhandlungen werde die Union "geeint handeln und ihre Interessen wahren". Die EU hoffe, dass Großbritannien auch in Zukunft ein "enger Partner" bleibe.
Erste Konfliktlinien in den Verhandlungen mit London zeichneten sich bereits ab. May forderte in dem Austrittsschreiben ein "kühnes und ambitioniertes" Handelsabkommen mit der EU. Anders als von Brüssel vorgesehen, will sie dieses aber gleichzeitig mit dem Austrittsvertrag verhandeln.
Dieser Forderung erteilte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel umgehend eine Absage. Es müsse zuerst geklärt werden, wie die engen Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU entflochten werden könnten, sagte sie in Berlin.
Zuerst Austrittsgesuch, dann Verhandlungen
Auch aus dem EU-Parlament hieß es, eine Einigung über die künftige Beziehung zwischen der Europäischen Union und Großbritannien könne es erst geben, nachdem der Rückzug des Vereinigten Königreichs aus der EU erfolgt sei. Über eine entsprechende Vorlage soll am kommenden Mittwoch abgestimmt werden. Geregelt werden müsse auch, welche langfristig zugesagten EU-Zahlungen London noch zu leisten habe - etwa für bereits pensionierte EU-Beamte, hieß es in dem Text.
Die britische Premierministerin Theresa May schloss am Mittwoch nicht aus, eine einmalige Zahlung als Teil eines Brexit-Abkommens an die EU zu leisten. "Wir werden die Pflichten erfüllen, die wir haben", sagte May während eines BBC-Interviews auf die Frage, ob Großbritannien bereit ist, eine Austrittsrechnung über etwa 60 Milliarden Euro zu bezahlen. Gleichzeitig machte sie aber klar, dass ihr Land in der Zukunft keine "erheblichen jährlichen Beiträge" in den EU-Haushalt überweisen wird.
Reaktionen in Europa und den USA
Der italienische Premierminister Paolo Gentiloni äußerte seine Hoffnung auf einen positiven Effekt des Austritts Großbritanniens aus der Staatengemeinschaft für die EU. "Italien arbeitet dafür, dass der Brexit-Schock zur Gelegenheit für ein europäisches Wiedererwachen wird", erklärte Gentiloni in einer Mitteilung am Mittwoch.
Sean Spicer, der Sprecher von Präsident Donald Trump, erklärte, die US-Regierung respektiere den Willen der britischen Wähler und der Regierung in London zum Ausstieg aus der EU. Wie auch immer die künftige Beziehung zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU aussehen werde, Großbritannien solle weiter eine Führungsrolle in Europa und in der Welt übernehmen.
Der kanadische Premierminister Justin Trudeau erklärte, sein Land strebe zu beider Nutzen engere Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zu Großbritannien an. London will vor dem Brexit das Freihandelsabkommen CETA zwischen der EU und Kanada dazu nutzen, die Handelsbeziehungen zu seiner ehemaligen Kolonie zu verbessern. Da Großbritannien mit dem Brexit nicht nur die EU, sondern auch den europäischen Binnenmarkt verlassen will, ist das Land künftig verstärkt auf Handelspartner außerhalb der EU angewiesen.