Der für Donnerstagabend geplante Auftritt des türkischen Justizministers Bekir Bozdag ist untersagt worden. Das wurde am Nachmittag auf der Website des baden-württembergischen Ortes Gaggenau mitgeteilt. Die Halle, die Parkplätze und die Zufahrten reichten für den erwarteten Besucherandrang nicht aus, begründete die Stadt die Entscheidung und widerrief deshalb die Zulassung.
Der baden-württembergische Justizminister Guido Wolf (CDU) kritisierte den Auftritt im Vorfeld. „Wenn der türkische Justizminister sich Zeit für einen Termin in Deutschland nimmt, dann wäre es sinnvoller gewesen, statt innertürkischen Wahlkampf zu machen, sich mit uns über Grundrechte und Rechtstaatlichkeit zu unterhalten“, sagte Wolf der „Heilbronner Stimme“.
In Deutschland ist es möglich, dass Zuwanderer aus der Türkei sowohl die deutsche als auch die türkische Staatsbürgerschaft - und damit auch das Wahlrecht in der Türkei - besitzen. In Summe eine nicht unbeträchtliche Wählerschaft.
Aus diesem Grunde war es vor Wahlen und anderen Urnengängen in der Türkei schon bisher oft dazu gekommen, dass türkische Regierungsmitglieder in Deutschland - und auch in Österreich - auftraten, um politisch für ihr Anliegen zu werben. Sie kamen dabei nie in offizieller Mission, sondern als Privatpersonen. Die Kabinettsmitglieder aus Ankara werben derzeit für die geplante Verfassungsreform, mit der die Rechte von Präsident Recep Tayyip Erdogan massiv ausgeweitet werden sollen. Kritiker sehen darin eine Gefährdung der Demokratie in der Türkei.
Die Werbefahrten werden nun zunehmend unterbunden. Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel erklärte, er erwarte, dass Gäste aus der Türkei "nicht nur zu Wahlkampfveranstaltungen fahren, sondern sich dann auch dem Gespräch beispielsweise mit dem Justizminister oder dem Wirtschaftsminister oder dem Außenminister oder mit wem auch immer stellen".
Kehrtwende nach Yüzel-Verhaftung
Dies habe das Auswärtige Amt am Donnerstag auch noch einmal dem Botschafter der Türkei gegenüber klargemacht. "Denn wir müssen dieses Problem schnellstmöglich klären. Der Schaden, der dort derzeit existiert, ist außerordentlich groß".
Den Ausschlag für die Kehrtwende gab die Verhaftung des "Welt"-Journalisten Deniz Yüzel. Die deutsche Bundesregierung versuche weiter, der Regierung in Ankara klarzumachen, dass die Verhaftung nach deutscher Auffassung gegen geltendes Recht verstoße und dass sie die Meinungs- und Pressefreiheit einschränke, sagte Gabriel. Es werde sehr schwierig werden, diese "Beschädigung im deutsch-türkischen Verhältnis" wieder zu beseitigen.
Der türkische Justizminister Bekir Bozdag bezeichnete das kurzfristige Verbot einer mit ihm geplanten Veranstaltung in Gaggenau in Deutschland als inakzeptabel. "Das kann man nicht Demokratie nennen", schimpfte der Minister. Er sagte am Donnerstag zudem ein Treffen mit dem deutschen Justizminister Heiko Maas ab. Dieser hatte sich ebenfalls gegen Auftritte türkischer Politiker in Deutschland ausgesprochen: "Die Zeit der leisen Töne" diesbezüglich sei vorbei.
Am Abend wurde die nächste Eskalationsstufe bekannt: Die Türkei hat den deutschen Botschafter in Ankara vorgeladen.
Auch Österreichische Politiker, zum Beispiel Sebastian Kurz, sprachen sich gegen politische Auftritte türkischer Regierungsmitglieder hierzulande aus und nahmen dafür eine diplomatische Verhärtung in Kauf.
Auch Köln-Auftritt abgesagt
In Deutschland sorge indes auch ein geplanter Auftritt des türkischen Wirtschaftsministers Nihat Zeybekci am Sonntag in Köln sorgt für Aufregung. Angeblich wollte er in einem Saal eine Wahlkampfrede halten, dieser steht nach Auskunft der Domstadt aber nicht zur Verfügung. "Der Auftritt kann und wird dort nicht stattfinden", sagte eine Sprecherin der Stadt Köln am Donnerstag der Nachrichtenagentur AFP. Unklar war, ob Zeybekci in andere Räumlichkeiten ausweichen könnte.
Laut dem Kalender des Koordinationszentrums für die Auslandswähler der türkischen Regierungspartei AKP wollte Zeybekci am Sonntagabend in Köln auftreten und dabei für die umstrittene Verfassungsreform in der Türkei werben, mit der die Befugnisse von Präsident Recep Tayyip Erdogan massiv gestärkt werden sollen. Mit der Stadt Köln war dies nach deren Angaben nicht abgestimmt. Zu der Verfassungsreform findet Mitte April ein Referendum statt, bei dem auch außerhalb der Türkei lebende Bürger wahlberechtigt sind.
Einer Sprecherin der Stadt zufolge hatte die Erdogan-nahe Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) vor Monaten eine unverbindliche Vorreservierung für einen Saal im Bezirksrathaus Köln-Porz für eine Theaterveranstaltung gemacht, sich danach aber nicht mehr gemeldet. An diesem Mittwoch habe die UETD dann mitgeteilt, dass dort nun eine "Informationsveranstaltung" stattfinden solle. Dafür werde die Stadt den Saal aber "nicht aufmachen", zumal notwendige Sicherheitsvorkehrungen so kurzfristig schwierig seien, sagte die Sprecherin.