Der chinesische Künstler und Dissident Ai Weiwei hat die Politik der Abschottung in den USA und in Europa kritisiert. Menschen, die das Privileg hätten, in Frieden zu leben, müssten sich mit der Flüchtlingskrise besser auseinandersetzen, sagte der Künstler in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AFP. Frieden sei immer nur vorübergehend. "Jeder könnte ein Flüchtling sein. Es könnten Sie sein oder ich."

Ai reiste in den vergangenen zwölf Monaten mit mehreren Filmteams in der Welt herum und besuchte Flüchtlinge und Camps in 22 Ländern, darunter auch in Deutschland. Er drehte unter anderem an der Grenze zwischen den USA und Mexiko, wo US-Präsident Donald Trump eine Mauer errichten will, sowie an der türkisch-syrischen Grenze und in Lagern auf den griechischen Inseln. Entstanden ist ein Dokumentarfilm namens "Human Flow", der im Sommer in die Kinos kommt.

"Rückwärtsgewandt"

Die Lage in der Welt sei derzeit so unsicher, dass jederzeit ein Krieg ausbrechen könne, sagte Ai der Nachrichtenagentur AFP. "Es gibt so viele unbeantwortete Fragen." Vor allem die aktuelle US-Politik finde er "traurig, verstörend und in vieler Hinsicht rückwärtsgewandt". Trumps Äußerungen stempelten ganze "Gruppen von Menschen als Terroristen oder Drogendealer ab".

Trumps Einreiseverbote und den geplanten Mauerbau betrachte er mit Bestürzung, sagte der 59-jährige Künstler. Gerade in den USA sei jeder außer den Indianern ein Migrant oder der Nachfahre eines Migranten.

Rechtspopulisten in Europa

Bei Europas Rechtspopulisten zog Ai einen Vergleich mit Trump. Sie stünden "auf der falschen Seite der Menschlichkeit", sagte er. Er glaube nicht, dass sie eine Zukunft hätten.

Die Themen Flucht und Migration liegen dem chinesischen Künstler, der in seinem Land 81 Tage lang in Haft saß und mehrere Jahre lang nicht reisen durfte, seit jeher am Herzen. Im vergangenen Jahr behängte er die Säulen des Berliner Konzerthauses mit 14.000 orangefarbenen Rettungswesten von Flüchtlingen, um auf die Flucht im Mittelmeer aufmerksam zu machen. In Florenz befestigte er 22 Schlauchboote an der Fassade des Renaissance-Palastes.

"Als ich klein war, wurde mein Vater vertrieben", sagte er über seinen Vater, den Dichter Ai Qing, der sich mit der Führung von Mao Zedong überworfen hatte. Die Familie lebte fortan in einer abgelegenen Gegend in einer Art Militärcamp. Er fühle also mit vielen Menschen, die auf der Flucht seien - sei es aus politischen Gründen, vor Krieg, Hunger oder Umweltproblemen. Vor dem Hintergrund vieler inhaftierter Weggefährten in China sagte Ai, das könne ihm auch jederzeit wieder passieren. "Das ist die Realität."