Sollte Präsident Recep Tayyip Erdogan das Referendum über eine Verfassungsreform am 16. April gewinnen, würde er deutlich mehr Macht bekommen. Abstimmen dürfen auch rund 1,41 Millionen Türken in Deutschland.
Der für Samstag geplante Werbeauftritt von Binali Yildirim löste in Deutschland scharfe Kritik aus. Die Veranstaltung wird zudem von der Ingewahrsamnahme des Korrespondenten der "Welt", Deniz Yücel, durch die türkische Polizei überschattet.
Deutsche Politiker forderten die Freilassung Yücels. "Herr Yildirim wäre gut beraten, auch aus Deutschland heraus für Klarheit und die Freilassung des Journalisten zu sorgen", sagte der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Samstag).
Nach Angaben die Redaktion der "Welt" stellte sich Yücel am Dienstag der Polizei in Istanbul. Seinen Anwälten sei gesagt worden, dass gegen ihn wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation, wegen Terrorpropaganda und Datenmissbrauchs ermittelt werde. Seit dem Putschversuch in der Türkei im Juli 2016 lässt Erdogan rigoros gegen Oppositionelle und Medien vorgehen.
Warnungen von allen Seiten
Das Auswärtige Amt appellierte an die Türkei, rechtsstaatliche Regeln sowie Fairness einzuhalten. "Natürlich tun wir alles, was wir können, um Deniz Yücel zu unterstützen", sagte ein Sprecher.
"Das Notstandsdekret erlaubt Erdogan nicht nur kritische türkische Journalisten zu inhaftieren, sondern nun auch Druck auf ausländische Journalisten auszuüben", kritisierte der Grünen-Chef Cem Özdemir. Yücel besitzt die deutsche und die türkische Staatsbürgerschaft. Für die Türkei ist er damit kein ausländischer Journalist.
Der Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen, Christian Mihr, forderte "ein faires und rechtsstaatliches Verfahren". Die Journalistengewerkschaft dju verlangte die Freilassung Yücels. "Er hat (...) über einen Hackerangriff auf den türkischen Energieminister Albayrak recherchiert", sagte dju-Bundesgeschäftsführerin Cornelia Haß. "Das ist kein Verbrechen, sondern seine Arbeit."
Gegen den geplanten Auftritt Yildirims formierte sich in Deutschland heftiger Widerstand. "Man kann sich nicht auf die Meinungsfreiheit berufen, wenn man gegen Meinungsfreiheit agitieren möchte", sagte der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner dem Hessischen Rundfunk (HR-Info). Er forderte die Bundesregierung auf, "eine solche Kampagne bei uns zu verhindern". Die Linken-Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht warf der Bundesregierung einen "neuen Kniefall vor Erdogan" vor. Ihre Fraktionskollegin Sevim Dagdelen forderte die Bundesregierung in der "Mitteldeutschen Zeitung" auf, den Auftritt Yildirims zu verhindern.
"Ich finde es geradezu skurril, dass der türkische Ministerpräsident keinerlei Skrupel hat, von unserer Demokratie zu profitieren, während er und seine Schergen im eigenem Land Oppositionelle hinter Gitter bringen", sagte Özdemir in der "Frankfurter Rundschau". Ähnlich äußerte er sich auch in den "Ruhr Nachrichten" (Samstag).
Die Oberhausener Polizei betonte, bei der Rede Yildirims handle sich um eine "nicht öffentliche, private Veranstaltung", auf die nicht Einfluss genommen werden könne.